Der Geist des Todes
Es sollte ein ganz normaler Museumsbesuch werden, der sich dann aber für Maja in eine Achterbahn der Gefühle verwandelte. Eine übernatürliche Kraft scheint über sie herrschen zu wollen, welche jeden ihrer Schritte geplant zu haben schien.
„Hey, sieh dir das an, Maja!“ Mein Vater zeigte auf einen Zettel, der an der morschen Wand des Stadtmuseums hing. Ich schaffte es noch gerade so, meinen Kopf von einer Stufe zu heben und aufzuschauen. „Hier steht, dass heute um 18 Uhr eine Extraausstellung über das alte Japan, im Nachbargebäude ist. Was hältst du davon, wenn wir uns die mal anschauen, hmm …?“ Er legte erwartungsvoll den Kopf schief. Ich atmete tief durch. „Papa, wir schleppen uns schon den ganzen Tag durch dieses öde Museum. Auch bei einer Neueröffnung würden ein bis zwei Stunden völlig genügen … Wenn man überhaupt bei diesem Museum, von so einer sprechen kann. Ich mein, sieh dir mal die Wände an. Igitt! Und die Bilder sind auch nicht gerade spannender geworden. Denn was soll schon so toll an ein paar Kreisen sein. Sowas könnte ja sogar ich zeichnen.“ Mein Vater verschränkte beleidigt die Arme. „Pah! Du verstehst auch wirklich nichts von Kunst. Also ich schau mir die Ausstellung auf jeden Fall an. Du kannst ruhig wieder nach Hause in dein Kämmerlein verschwinden und den restlichen Tag, nur an deinen dummen Gerät hocken. Wir sehen uns dann heute Abend wieder, schätze ich mal.“ Ohne ein weiteres Wort zu sagen, wante er sich von mir ab und verschwand hinter einem knallpinken Plastikbaum, der, umgeben von zahlreichen anderen, hässlichen „Kunstwerken“, in der Mitte des Museums stand. Ich seufzte. Seit dem Tod meiner Mutter, also seiner Frau, war er sehr leicht reizbar und suchte ständig Dinge um sich abzulenken, wie zum Beispiel Museen, und dabei findet er sie selber nicht einmal spannend. Was ihn aber am meisten bedrückte, war die Tatsache, das Mamas Todesursache bis heute noch völlig ungeklärt ist.
Selbst die fähigsten Wissenschaftler scheiterten an dem Versuch, die Ursache herauszufinden. Eines Morgens wollte ich sie aufwecken und dann, naja … war sie tod. Bei dem Gedanken kullerte mir eine Träne die Wange hinunter, die ich aber schnell wieder abwischte. Nein, ich musste Papa helfen, endlich wieder glücklich zu werden und sich nicht Tag für Tag, mit dem Gedanken rumquälen zu müssen. Entschieden bog ich kurz vor dem Ausgang wieder um und kehrte, so schnell es in einem Museum erlaubt war, wieder zurück zu meinem Vater.
Als ich ihn fand, starrte er gerade ein Bild an, welches eine glückliche Familie, im alten Rom zeigte. In seinem Blick herrschte gähnende Leere. „Hey! Ich setzte mich zu ihm und legte meinen Kopf auf seine Schulter. Er zuckte kurz zusammen, entspannete sich dann aber doch wieder und nahm mich in seine Arme. „Weißt du, ich bin so froh, dass ich dich habe, auch wenn es manchmal nicht ganz so scheint,“ flüsterte er, sodass nur ich es hören konnte. „Ich auch.“ brachte ich noch gerade so heraus, bevor die nächste Träne, meine Wange hinunter huschte. Diesmal war es aber eine Träne der Erleichterung.
„Oh!“ machte mein Vater schließlich nach einer Weile. „Es ist schon kurz nach sechs. Wir sollten uns beeilen, damit wir uns noch die ganze Ausstellung, mindestens fünfmal anschauen können, bevor das Museum schließt.“ In seiner Stimme, lag ganz klar Ironie, was mich beruhigte. Nicht nur, weil ich mich dann nicht noch bis Mitternacht hier durchquälen muss, sondern auch, weil ich Papa schon lange nicht mehr so glücklich gesehen habe. Gemeinsam schlenderten wir das Museum entlang, frei von jeglichen Sorgen. Doch das, sollte nicht für immer so bleiben.
„Deng, deng, deng, deng, machte es, als wir gerade die Tür zur Ausstellung öfnen wollten. Mein Vater und ich schauten uns gegenseitig fragend an. „Das klingt wie irgendwer, oder irgendetwas, das gegen einen Eimer läuft. Vielleicht sollten wir mal nachsehen, was da los ist. Papa seufzte. Aber nur kurz. Die Ausstellung wartet nicht ewig auf uns. Nachdem ich ihm bestätigen musste, dass dies nur maximal fünf Minuten dauern wird, machten wir uns gemeinsam auf den Weg, die Ursache für dieses nerventötende Geräusch herauszufinden.
Wir bogen um eine Ecke ab und fanden … eine Schildkröte vor, die mit ihrem Kopf auf einen Eimer einstieß? „Hey, kleines Ding, was suchst du denn dort unter dem Eimer? Ich versuchte die Schildkröte auf die Hand zu nehmen, doch sie kletterte einfach wieder hinaus und fuhr ihre Aktivität wieder fort. „Achje!“ seufzte ich und hob den Eimer hoch, bevor sich das Tier noch eine Gehirnerschütterung holte. Ein Salatkopf kam zum Vorschein, den die Schildkröte gierig verschlang. „Boar, du hast aber einen Bärenhunger, was?
Hm… ich glaub ich nenn dich Bucket. Ich startete noch einmal den Versuch, das Tier auf die Hand zu nehmen, doch diesmal ließ er sich ohne Probleme tragen. Ich stopfte mir den restlichen Salat in die Tasche und wollte gerade Bucket zu meinem Haustier erklären, da ihn ja niemand zu gehören schien, doch dann fiel mir wieder ein, dass Papa panische Angst vor Reptilien jeglicher Art hat und mir niemals eine Schildkröte erlauben wird. Wegen seiner Angst ist er wahrscheinlich auch verduftet und schon einmal vorgegangen. Doch konnte ich, so ein armes kleines Wesen, einfach im Museum verhungern lassen? Selbst das wird er noch nicht einmal schaffen, wenn die Tierfänger erst einmal hier aufkreuzen. Ich entschied mich also schließlich dafür, Bucket in meiner Tasche zu verstecken und so zu tun, als würde er sich immer noch den Schädel kaputt schlagen, dann ging ich aber schon wieder zurück zur Ausstellung, wo bereits eine noch viel größere Überraschung auf mich wartete.
„Papa, da bin ich schon wied …“ Weiter kam ich nicht, da eine uralte, schwarze Vase meine Aufmerksamkeit erregte. Sie … sie funkelte so schön im strahlenden Sonnenlicht, das über die dunklen Rosen tanzte, die zur Verzierung dienten. Ich hatte plötzlich das Verlangen, diese Vase zu berühren und ich würde alles tun, um mein Ziel zu erreichen. „Maja?“ Ich nahm die Stimme meines Vaters war, schwach, aber dennoch deutlich. „Maja, ist alles okay bei dir?“ Ich ignorierte ihn einfach und lief weiter, immer weiter geradeaus, den Blick auf die Vase gerichtet. Es war, als würde etwas mich kontrollieren, doch konnte das wirklich sein? Mein Sichtfeld verschwamm. Die aufgebrachten Rufe meines Vaters, kamen mir immer weiter entfernt vor, doch auch gleichzeitig so nah. Dann passierte es. Mein Finger berührte die Vase, welche plötzlich überall Risse bekam. Nun war ich wieder völlig bei Bewusstsein. Meine Umgebung wurde immer klarer und die Stimme meines Vaters immer deutlicher. „Maja, was ist passiert?“ rief er und ging, so schnell er konnte auf mich zu. Ich wollte ihm gerade antworten, doch dazu kam es nicht. Die Vase explodierte, Splitter flogen durch die Gegend, Menschen schrien. Es war ein einziges Chaos. Doch das wirklich erschreckende war, dass dort, wo gerade eben noch eine antike, japanische Vase stand, plötzlich eine schwarze Rauchwolke aufstieg, die sich mir langsam näherte.
Die Schreie wurden lauter und ich panischer. Was sollte ich jetzt nur tun? Ich entdeckte ein japanisches Schwert, in einer Vitrine. In meiner Panik, schlug ich das Glas, was eh schon, durch mehrere Splitter beschädigt wurde, kaputt und umklammerte den Griff mit beiden Händen. Zu dem ganzen Chaos, gesellte sich nun auch noch der Alarm einer Sirene hinzu, die wohl durch meine Notlösung ausgelöst wurde. Doch das war mir jetzt egal. Ich hatte eine Mission zu erledigen. Wütend schlug ich auf die Wolke zu, in der Hoffnung es irgendwie besiegen zu können, doch dies war Qualm, weshalb die Klinge des Schwertes einfach hindurch glitt. Es war, als würde ich auf Luft einschlagen. Mit jedem Schlag und mit jedem Atemzug wurde ich erschöpfter, bis ich mich schließlich einfach auf dem Boden fallen ließ, während die Rauchwolke immer näher kam, bis sie schließlich genau über meiner Brust stehen blieb. Na los, bringen wir es hinter uns, dachte ich. Ich hatte keine Ahnung warum ich dachte, diese Wolke könnte mich töten. Es war einfach so ein Gefühl. Mit zugekniffenden Augen, wartete ich auf mein Schicksaal. Schweiß tropfte meine Stirn hinunter. Eine lange Zeit geschah nichts, bis ich plötzlich einen eiskalten Schauer spürte, der durch meinen gesammten Körper fuhr, biss ich schließlich nur noch schwarz sah.
Ich wachte in einem schwarzen Raum auf. Mein Kopf brummte und meine gesamten Gliedmaßen schmerzten. „Wo bin ich?“ Meine Stimme hallte an den Wänden wieder. „Bin ich tot?“ Panik kehrte in mir auf. „Nicht ganz.“ antwortete eine elegante Frauenstimme. „Aber mit Tod hat dein Schicksaal auch zu tun, ja.“ Ich drehte mich hektisch um und blickte in die eisigen Augen, einer asiatisch aussehenden Frau, die gerade damit beschäftigt war, schwarz-lilande Blumen, aus einem Beet zu pflücken. Sie protzte nur so vor Schönheit und Eleganz. Doch gleichzeitig wirkte sie auch so kalt und herzlos. Ihre langen schwarzen Haare waren bis aufs feinste geflegt. Ihr schwarzes Kleid war mit dunklen Rosen verziert, so wie ich sie auch schon auf der Vase gesehen habe. Sie wirkte so, als wäre sie schon lange Tod und nun wieder belebt worden, in eben diesem Körper, eine schwer zu beschreibende Mischung aus Eleganz und Herzlosigkeit. „Wer bist du?“ Mein Herz raste, meine Muskeln spannten sich an. „Mein Name ist Ming Yuang. Ich war vor einigen Jahrhunderten noch eine einfache Reisende, die den Tod fürchtete. Doch seit dem Tag, als ich den schweren Fehler begang und die Vase berührte …“ Sie hielt kurz inne und starrte die Rose in ihrer Hand an, bevor sie mich mit ernstem Blick anshah. „… Seid diesem Tag an änderte sich mein Leben. Ich wurde die, die ich heute bin…“ Ming Yuang lächelte, was mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. „…der Tod.“
Ich erstarrte. Nein, das konnte nicht stimmen, redete ich mir ein. „Leider doch.“ antwortete die Frau, als könne sie meine Gedanken lesen. „Doch dies, soll sich ab dem heutigen Tag ändern. Der Geist des Todes hat sich ein neues Opfer ausgesucht, was zufälligerweise genau vor mir steht.“ Schon wieder schlich sich ein Lächeln auf ihre Lippen, diesmal noch Angsteinflößender als zuvor.
„Nicht wahr Maja?“ Plötzlich bekam ich Panik. Ich versuchte wegzurennen, so weit weg von dieser Frau, wie nur möglich, doch ich kam nicht weit. Schwarze Fesseln schlingelten sich um meine Tallie und trugen mich wieder zurück zu Ming Yuang, die plötzlich vor Wut, fast zu explodieren schien. „Denkst du ernsthaft, ich warte noch einmal eintausend Jahre darauf, dass sich der Geist, der mich schon viel zu lange kontrolliert und terrorisiert, sich jemand Neuen aussuchen kann, dem das gleiche Schicksaal wie mir ereilen wird, hmm?“ Ich wagte es kaum, mich zu bewegen. Plötzlich verwandelte sich die Rose, in der Hand der Frau, in die Rauchwolke, von eben. Panik stieg in mir auf. „Ah, es ist so weit. Ming Yuang strahlte, während der Qualm mir wieder näher kam. Ich will dir noch eines sagen, bevor ich als Sterbliche, wieder zurück auf der Erde erscheinen werde. Ah, wie ich mich darauf freue.“ Der Tod lachte. „Also, eines will dir gesagt sein. Jeder von uns, muss Opfer für seine neuen Kräfte bezahlen, also sei auf das Schlimmste gefasst.“ Mit diesen Worten, verabschiedete sich Ming Yuang von mir. Das letzte was ich wahr nahm, bevor der Qualm mich berührte, war das kalte Gelächter von der Frau, die sich mir als Tod vorgestellt hatte. Von der Frau, deren Schicksaal mich ab diesem Zeitpunkt für immer verfolgen wird. Mit diesem Gedanken, wurde ich ein weiteres mal ohnmächtig.
Langsam wachte ich wieder aus meiner Trance auf. Ich hoffte, alles nur Geträumt zu haben, doch das was ich als nächstes vorfand, warf mich ganz schnell wieder aus dieser Vorstellung. Der reglose Körper meines Vaters, lag auf dem kalten Boden des Museums, durchbohrt von zahlreichen Splittern.
Der Geist der Kreation
Brian ist ein junger Autor, der sich nichts sehnlicher wünscht als echte Fans. Als er dann einen Brief von einem vermeidlich Fan bekommt, kann er es nicht fassen. Jedoch nimmt sein großer Tag eine überraschende Wendung, die sich niemand hätte erdenken können.
Krizlkritzl machte es, als ich gerade dabei war, Ideen für meine neue Geschichte herauszusuchen. Ich zerbrach mir schon seit Tagen den Kopf darüber, ob der Hund lieber sterben sollte, oder nicht. Ich mein, ich persönlich wäre ja lieber dafür, dass er stirbt, da Cindy dann zusätzlich zu den Schulden bei dem Bäcker, auch noch welche beim Tierbestatter dazubekommt. Aber was würden meine wenigen Fans, die eigentlich nur aus den Eichhörnchen im Park bestehen, dazu sagen? „So komm ich doch echt nicht weiter!“ Wütend zerknüllte ich das Blatt in meinen Händen und warf es im hohen Bogen in den Papiereimer, der schon so voll von verworfenen Ideen war, dass das verformte Blatt, einfach wieder hinuter auf den Boden kullerte. Ich wollte gerade das nächste Blatt nehmen, um weiter zu verzweifeln, doch da fiel mein Blick auf einen schwarzen, unauffälligen Stempel, der auf einen Brief, inmitten meiner Papiersammlung tronte. Ich stutzte. War es etwa Fanpost, meine aller erste? Mit rasendem Herzen und zitternden Finger öffnete ich langsam den Brief. Zum Vorschein kam ein kleiner Zettel, mit nur einem jämmerlichen Satz drauf. Enttäuscht las ich ihn vor. Wenn das Fanpost war, dann fehlte es demjenigen eindeutig an Krativität. „Erscheine heute Nacht, um Punkt 12, an der großen Eiche im Pelham Bay Park. Gezeichnet G.K.“ las ich laut vor. Langsam kroch doch noch ein Stückchen Hoffnung, in mir auf. Vielleicht war derjenige ja tatsächlich ein Fan von mir, wollte aber persönlich mit mir reden und … ich lächelte. Das was er mir überreichen wollte, war bestimmt ein Paket, mit allerlei coolen Sachen. Ich konnte es kaum erwarten und warf mich, voller Vorfreude auf mein weiches Bett. Vier Stunden, hatte ich jetzt Zeit zum schlafen, bevor ich meinem ersten, richtigen Fan gegenüberstand.
Mein Wecker klingelte um zehn vor zwölf. Voller Euphorie sprang ich aus den Federn, hinein in Jeans und T-Shirt. Ich war sogar so gespannt auf meinen Fan, dass ich glatt vergaß, dass meine Schwester und meine Eltern schliefen. Leider fiel mir das erst auf, als ich schon die halbe Treppe hinunter gepoltert bin. Ich hörte, wie im Schlafzimmer das Licht anging, und die schweren Schritte meines Vaters, sich langsam der Tür näherten. Wenn er herausfand, dass sein Sohn nachts heimlich in der Wohnung herum spukt, würde ich mindestens für ein halbes Jahr Hausarrest bekommen und ich könnte mein kleines Fantreffen vergessen. Langsam schlich ich die Treppe hinunter. Ich musste nur ins Treppenhaus gelangen, denn von dort aus, konnte er mich nicht erwischen. Seine besten Tage sind eben auch schon lange gezählt.
„Wer ist da?“ Ich beobachtete, wie mein Vater einen Baseballschläger, der an der Wand hing, nahm und jetzt damit auf seine Handfläche einschlug. „Wusstest du, du mieser Einbrecher, dass ich mal zu den Top-Spielern im Baseball zählte? Wenn nein, dann wirst du es jetzt auf jeden Fall erfahren. Zur Demonstration, fuchtelte er mit seinem Schläger in der Luft herum. Dabei nahm er aber auch leider eine Vase mit, die nun krachend zu Boden fiel. Wie schon gesagt, er ist eben schon lange aus der Übung. „Schatz, was ist denn das für ein Lärm? „Meine Mutter war gerade aufgewacht. Verschlafen quälte sie sich aus dem Bett. „Miriam, hier ist irgend ein Einbrecher, in unserer Wohnung, aber keine Sorge, ich regel das schon. Mit lauten Stampfen, schritt er zur Treppe, gerade als ich mich im Wohnzimmer verstecken wollte, hörte ich die genervten Rufe meiner älteren Schwester Patricia. „Dad? Was geht hier vor sich?“ Scheiße, dachte ich. Patricia war leider nicht auf den Kopf gefallen wie meine Eltern, um es mal freundlich auszudrücken. Sie würde einfach eins und eins zusammenzählen und tada, dabei käme ein Wort bei raus. Nämlich Brian. Ich fasste all meinen Mut zusammen und nutzte den Moment, wo Mum und Dad mit meiner Schwester beschäftigt waren. Ich sprintete zur Tür drückte sie auf und war in Null Kommer Nix, schon im Treppenhaus. Erleichtert ließ ich mich auf den Boden sinkten und atmete tief durch. Doch dann fiel mir wieder ein, weshalb ich das ganze eigentlich durchmachte. Energisch schaute ich auf meine Uhr. Ich hatte nur noch eine Minute Zeit, bis Mitternacht. Niemals würde ich es bis dann in den Park schaffen. Doch, du schaffst das Brian, redete ich mir selber ein. Ich schüttelte mich noch einmal, um alle negativen Emotionen aus mir raus zu bekommen und sprintete dann los. Ich kann nicht erklären, wie ich es geschafft habe, in so kurzer Zeit, eine so krasse Distanz zurück zu legen. Ich mein, ich war schon immer gut in Sprinten, aber so gut? Um Punkt Mitternacht erreichte ich die große Eiche, wo bereits eine Gestalt auf mich wartete. Doch irgendwie, sah sie alles andere als nach einem Fan von mir aus.
„Ich habe dich schon erwartet.“ Eine Mädchenstimme ertönte in meinen Ohren. „Bist du ein Fan von mir?“ fragte ich vorsichtig, wobei ich eine Bordsteinkante vergaß und mit voller Wucht auf meinem Gesicht landete. „Autsch!“ stöhnte ich, mit einem Haufen Dreck im Mund. Schnell spuckte ich alles wieder aus und stand mit ekelverzertem Gesicht auf. Nun blickte ich, das erste mal in das Gesicht, von meinem angeblichen Fan, der sich aber dann schließlich doch nicht, als einer herausgestellt hat.
Das Mädchen wirkte hübsch, auf ihre eigene Art. Sie hatte lange, schwarze Haare, die zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren. In ihrem bleichen, aber gleichzeitig wunderschönem Gesicht, nahm ein Schmetterlingstatoo, den oberen Bereich ihrer Wange ein. Ihre Augen wirkten kalt, aber gleichzeitig liebevoll. Eine schwer zu beschreibende Mischung. Ich war so fasziniert von ihr, dass ich gar nicht merkte, wie ihre Hand, sich langsam meiner Brust näherte. Ich bekam erst davon Wind, als ich einen eiskalten Schauer spürte, der durch meinen gesamten Körper verlief. „Ich möchte dir noch eines mitteilen, bevor du dein altes Leben hinter dir lassen musst.“ Das Mädchen wirkte so ernst, dass es mir sogar noch eisiger wurde, als es gerade eh schon war. „Missbrauche nicht deine neuen Kräfte, wenn du sie bekommen wirst. Es wird wichtigeres zu tun geben, wenn die Bedrohung erst einmal eingetroffen ist.“ Mit diesen Worten, mit denen ich zu diesem Zeitpunkt noch nichts anfangen konnte, wurde alles schwarz vor meinen Augen.
Mit einem schrillen Piepen im Ohr, wachte ich benommen auf. Mein Kopf schmerzte und meine Gliedmaßen waren wie gelehmt. Vorsichtig öffnete ich die Augen. Doch als ich das getan hatte, glaubte ich immer noch ohnmächtig zu sein. Ich war auf einer tropischen Insel, mit feinsten Sandstrand, warte … nein, ich war doch in den Bergen, oder in der Stadt? Ich konnte diesen Ort einfach nicht beschreiben, da es unmöglich war, sich alles innerhalb von ein paar Sekunden einzuprägen, bevor sich die Landschaft wieder veränderte. Plötzlich stand ich auf einer Landstraße, irgendwo zwischen Texas und New Mexico. Ich erwartete schon, dass sich die Umgebung wieder verändert, doch diesmal passierte nichts. Verwirrt schaute ich mich um, doch ich entdeckte nichts außer Wüste, Wüste und noch mehr Wüste. Doch was war dass?
Ein heller Blitz schoss an mir vorbei, sodass ich mir die Augen zukneifen musste, um nicht geblendet zu werden. „Du kannst die Augen wieder aufmachen.“ Eine warme, tiefe Stimme erhellte die Dunkelheit, die ich zu sehen bekam, als ich die Augen wieder öffnete. Erst sah ich eine Person, zwar verschwommen, aber trotzdem deutlich. Es war so, als würde mein Gehirn die wenigen Informationen die es bekam, in ein Gesamtbild umwandeln. Die Gestalt war in ein weißes Samtkleid gehüllt, das sanft im lauen Wind wehte. Das Gesicht war rein und von einem hellbräunlichen Bart umhüllt. Was mir aber besonders auffiel waren die Augen der Person, die stolz in der Sonne glitzerten. Zuerst hatten sie die Farbe Gold, doch dann wurden sie langsam silbern und anschließend hellblau. Doch nun veränderten sich nicht nur die Augen, sondern das gesamte Gesicht der Gestalt. Mal war es das von einer Frau und ein andermal das eines Kindes. Auch der Körper und die Kleidung verwandelten sich nun ebenfalls. Manchmal schien der Körper nur so vor Muskeln zu platzen, doch ein ander mal wiederum sah die Person schwach und alt aus. Nun konnte ich auch wieder alles klar sehen. „Wer bist du?“ fragte ich verängstigt. „Nun wirkte die Person in jeder Gestalt traurig und erschöpft. „Ich habe schon lange keine Identität mehr.“ Diesmal war es eine hohe Frauenstimme. Der Gestaltenwandler schaute, mit einem leeren Gesichtsausdruck durch mich hindurch. Nun begann die Umgebung sich auch wieder langsam zu verändern. „Man nannte mich Alexandrius. Ich war ein stadtbekannter Philosph im alten Rom, bevor ich eines Tages …“
Der gerade Mann, machte eine kurze Pause, atmete tief durch und begann dann weiter zu erzählen. Es war nicht leicht Alexandrius zuzuhören, da ich viel zu faszieniert von der gestaltändernen Person war. Doch dann packte mich doch noch die Neugier und ich versuchte mich, so gut es geht, auf das was die Frau, nein der Mann zu sagen hatte zu konzentrieren.
„… eines Tages beschloss das Schicksaal, mein gesamtes Leben zu verändern, in dem es mich diesen einen Fehler machen ließ, Wein von dieser Hexe zu trinken. Danach war mein Leben nicht mehr lebenswert.“ Bemitleidend starrte ich auf den Boden, der nun der einer antiken Stadt zu sein schien. „Und wieso hast du mich hierhergeholt?“ fragte ich Alexandrius. „Ich habe diese Entscheidung nicht getroffen.“ antwortete er, immer noch traurig und ohne jegliche Lebensfreude. „Wer denn?“ wollte ich wissen. „Das Mädchen, von vorhin?“ „Nein.“ Der Gestaltenwandler seufzte. „Das war nur der Tod.“ „Der Was?!“ In meinem Gesicht stand pures entsetzen. „Der Geist des Todes, um genau zu sein. Im Körper dieses Mädchens,“ antwortete Alexandrius, so als ob das hier alles für ihn selbstverständlich war. Wahrscheinlich war es das auch.
„Also war das nur ein dummer Geist, der gerade mit mir gesprochen hat?“ Noch mehr Entsetzen kam in mir hoch. „Nein, das Mädchen hat immer noch die volle Kontrolle über ihren Körper. Jedoch hat sie nun verschiedene Pflichten zu erfüllen, wie zum Beispiel die Außerwählten zu finden, damit die Geister in ihren Körper schlüpfen können.“ „Die Außerwählten?“
Wahrscheinlich kam ich mit dieser dummen Fragerei ziemlich dämlich rüber, doch Alexandrius beantwortete sie ruhig und gelassen. „Die Außerwählten bestehen aus fünf Personen, jede für einen anderen Geist. Den des Todes, den der Kreation, also meiner, den des Lebens, den der Zerstörung und den der Zeit. Alle 1.000 Jahre suchen sich die Geister einen neuen Körper, um das Universum in Takt zu halten.“
„Aber das alte Rom ging doch schon viel eher unter.“ fiel mir auf. „Das ist richtig, jedoch wurde ich schon vor 2.000 Jahren von der Hexe verflucht, einmal zum ewigen Leben und einmal zu etwas Unbekanntem, von dem ich erst 1.000 Jahre später erfuhr.“ „Aber warum ich?“ fragte ich panisch, da sich Alexandrius Stimme immer weiter von mir zu entfernen schien und auch die Umgebung, war wieder die Wüstenstraße in Texas.
Der Geist der Kreation, behielt nun ebenfalls seine Origianalgestalt, die immer kleiner wurde, bevor er sich wieder in einen Blitz verwandelte. „Das wirst du schon früh genug erfahren,“ waren die letzten Worte, die ich hörte, bevor ich wieder ohnmächtig wurde. Ich wachte auf einem weichen Untergrund auf und dachte, ich läge in meinem flauschigen Bett im Appartment meines Dads, in New York, doch ich war falsch. Ich lag auf einem grasbedeckten Hügel, fernweg von meiner geliebten Heimatstadt. Doch war ich das wirklich?
Der Geist des Lebens
Sie ist Schauspielerin im Pariser Theater. Eine der besten sogar. Als Beatrice jedoch, während einer Vorstellung, eine unangenehme Kälte, welche vom Publikum ausgeht, empfindet muss sie ihr Leben selber in die Hand nehmen.
„Beatrice, worauf wartest du? Die Vorstellung beginnt in fünf Minuten!“ rief meine Mutter aufgeregt. „Warten Sie bitte noch eine Minute Madame Petit, wir sind jeden Moment fertig,“ antwortete meine Maskenbildnerin, Mademoiselle Richard, die aufgrund des Zeitdrucks ihren Pinsel immer schneller schwang, weshalb er kurz abrutschte und dirket in meinem Auge landete. „Autsch!“ stöhnte ich laut. „Oh, Verzeiung junge Mademoiselle. Ich verspreche, es wird nicht wieder vorkommen.“ „Schon gut“ widersprach ich. „Nun folgen Sie aber bitte Ihrer Mutter auf die Bühne. Es fängt gleich an.“ Mit einem Besen scheuchte mich meine Maskenbildnerin, runter von meinem Sessel hinauf auf die Bühne. „Du schaffst das!“ Ich entdeckte meine Mutter, die mir aufgeregt zuwinkte. Hinter dem Vorhang hörte ich die abschließenden Worte meines großen Bruders Tom und den lauten Applaus des Publikums. Ich atmete noch einmal tief durch, bevor ich mit lauten Herzklopfen die Bühne betrat.
Stille. Alle Augen waren auf mich gerichtet. 2.000 um genau zu sein. Ich spürte, wie das Blut in meinen Adern gefror. Doch es war nicht allein die Angst, die diese unmenschliche Kälte erzeugte. Nein, da war noch etwas anderes. Etwas, nun ja … magisches. Ich hörte das erste Räuspern im Publikum. Auch meine Mutter schien bemerkt zu haben, dass irgend etwas los war.
„Oh, warum bin ich nur so allein.“ flüsterte sie mir nervös zu, doch mein Text wollte mir einfach nicht einfallen. Ich bemerkte, wie der Vorhang langsam zuging und mein Bruder rauf auf die Bühne ging, um das Publikum zu unterhalten, bis ich mich wieder gefasst habe. Plötzlich fiel mein Blick auf eine in schwarz gehüllte Frau, die erst langsam, doch dann immer schneller auf mich zuging. Zumindest vermutete ich, dass sie zu mir wollte. Denn ich spürte, dass die Kälte von der Frau ausging. Da war ich mir ganz sicher. Als sie die Bühne betrat, stieg Panik in mir auf. Ich stürzte hinter den Vorhang, der nun schon fast ganz geschlossen war und rannte. Ich wusste nicht warum und wohin, aber ich tat es. Die Frau schien mir unheimlich zu sein. Fast schon angsteinflößend.
Mein Herz pochte, meine Adern gefroren immer mehr zu Eis. Im Hintergrund hörte ich die fragenden Stimmen meiner Mutter und Mademoiselle Richard, doch das war mir egal. Ich wollte einfach so weit weg wie möglich weg von dieser Hexe. Ich stürzte hinaus in den eisigen Winter Parises, der mich eigentlich zum Eisblock hätte gefrieren sollen, doch von der Frau ging eine so enorme Kälte aus, dass es mir hier draussen eigentlich schon fast vorkam wie Hochsommer. Panisch warf ich einen Blick nach hinten. Die Frau holte immer mehr auf, es fehlten nur noch wenige Meter, bis sie mich erreicht hattte. Erst zehn, dann fünf, dann zwei und dann hatte sie mich schließlich.
Für einen kurzen Augenblick dachte ich, sie hätte mir ein Messer aus purem Eis in meine Brust gerammt. So fühlte es sich zumindest an, als sie mich auf den Boden presste. „Keine Angst, ich tue dir nichts,“ flüsterte die Frau, mit einer Stimme, die gar nicht zu meinen ersten Eindrücken von ihr passte. Sie war warm und weich und die … eines Mädchens? Als sie die Kapuze hinunterzog, bestätigten sich meine Überlegungen. Vor mir saß ein, ungefähr fünfzehn-jähriges Mädchen, dass freundlich lächelte. „Wer bist du?“ fragte ich, zwar immer noch nervös, aber dennoch deutlich ruhiger als zuvor. „Dafür bleibt jetzt keine Zeit, ich muss zum nächsten Auserwählten reisen. Du erfährst alles, bei meinem Kollegen.“ „Kollege …?“ wollte ich fragen, doch ich konnte meinen Satz nicht beenden, denn dieses mal rammte das Mädchen wirklich etwas in meine Brust. Zwar kein Messer, aber dennoch etwas mindestens genau so schmerzhaftes. Dann fiel ich auch schon in Ohnmacht.
Ein Gewirr aus Stimmen, weckte mich aus meiner Ohnmacht. Benommen kam ich zu mir. Mein Schädel brummte so laut, dass ich mir die Ohren zuhalten musste. „Wo bin ich?“ fragte ich leicht verwirrt. „Im Schloss Versailles, junge Dame,“ antwortete eine sanfte Stimme hinter mir. Erschrocken drehte ich mich um und blickte in die Augen der mit Abstand schönsten Frau, die ich je in meinem Leben gesehen habe. Ihre Haare lagen perfekt, ihre Haut makellos. Die Augen der Frau trugen die Farbe der Karibik. Ihr rotes Kleid war lang und elegant und leuchtete so hell, dass ich mir fast die Augen zuhalten musste, um nicht geblendet zu werden. „Wer bist du?“ waren die einzigen Worte, die ich zustande brachte. „Meine Wenigkeit tut nichts zur Sache.“ erklärte die Frau. „Nein, ich bin unwichtig. Das was mich wirklich ausmacht, ist das was in mir lebt. „Ach ja?“ fragte ich etwas perplex. „Was ist es denn?“ „Das wirst du schon noch erfahren,“ entgegnete die Schönheit in Person, während sie sich gerade ein großes Glas Champagner aus einer goldenen Flasche einschüttete. Ich wechselte das Thema. „Aber wieso bin ich denn überhaupt hi…“
Ehe ich den Satz zu Ende sprechen konnte, rempelte mich jemand von hinten an. „Hey, pass doch auf!“ rief er genervt, obwohl er es ja war, der mich angerempelt hat. Doch als er die mysteriöse Frau entdeckte, verstummte er urplötzlich und sah zu, dass er so schnell wie möglich von hier verschwand. „Achte nicht auf ihn.“ meinte die Frau. „Das sind alles minderwertige Geschöpfe, die ich nur erschaffen habe, damit ich nicht so alleine bin. Es kann hier manchmal ziemlich langweilig werden, weißt du?“ Sie muss die Verwirrrung in meinem Gesicht erkannt haben, denn sie fügte noch hastig hinzu. „Das wirst du auch noch alles irgendwann erfahren.“ Ich rollte mit den Augen.
Wie nervig kann eine einzige Frau bitte sein, dachte ich, doch schnell fiel mir wieder die Frage ein, die ich stellen wollte, als der Junge mich plötzlich angerempelt hat. „Aber wieso …“ setzte ich an, doch die Nervige, so habe ich beschlossen, sie ab jetzt zu nennen, hob schnell die Hand. „Das soll dir jemand anderes erklären. Ich muss los!“ Ehe sie ihren Satz überhaupt beenden konnte, verschwand sie hastig, in der riesigen Menschenmenge und ließ mich allein zurück. „Was für eine komische Verrückte!“ dachte ich laut.
„Ähm, dass solltest du lieber nicht sagen.“ Erschrocken drehte ich mich um. Dort stand doch tatsächlich der Junge, der mich vor fünf Minuten noch fast umgehauen hatte und dann auch noch meinte, dass das meine Schuld wäre. „Ich bin gespannt was du zu sagen hast.“ erwiderte ich, fast schon zickig. Er seufzte. „Tut mir leid, was ich gerade eben zu dir gesagt habe. Ich weiß selber, dass das nicht nett war. Doch fast 1.000 Jahre am selben Ort zu verweilen, kann manchmal ganz schön ätzend sein, weißt du?“ Verwirrt schaute ich ihn an. Ich muss dabei ziemlich dämlich ausgesehen haben, doch das war mir egal. Ich wollte jetzt wissen, was hier vor sich ging. Der Junge lächelte bei meinem Anblick. „Ich glaube ich bin dir eine Erklärung schuldig.“ meinte er, während er sich ein Glas Sekt einschüttete. „Willst du auch etwas?“ bot der Junge an, doch ich lehnte dankbar ab. „Nein, danke. Ich trinke nicht.“ Nach etwa einer Minute unangenehmen Schweigens, stellte ich mich endlich vor. „Ich bin übrigens Beatrice,“ sagte ich.
„Markus,“ entgegnete der Junge. „Freut mich, aber wolltest du mir nicht eigentlich was erzählen?“ erinnerte ich ihn. „Auja, richtig!“ fiel es ihm plötzlich wieder ein. „Also, es war so: Vor Anbeginn der Zeit, formten sich fünf Geister aus der Kraft des Universums. Diese Geister, waren für das Entstehen von einfach allem was wir kennen und lieben verantwortlich. Sie erschufen aus dem Nichts, in weniger als einer Sekunde, ein riesiges Etwas, das wir als Universum kennen. Der Geist der Kreation erschuf Planeten, Sonnensysteme und so weiter. Der der Zeit war dafür verantwortlich, dass alles weiter läuft und gedeit. Dann gab es noch den Geist der Zerstörung, der mit der Zeit Platz für neues schaffte, den des Todes und den des Lebens. Doch vor ungefähr 5.000 Jahren, nahm das Nichts wieder seinen ursprünglichen Platz ein. Ganze Galaxien mussten sterben. Mit allen Mitteln versuchten die fünf Geister es aufzuhalten, doch das Nichts war einfach zu mächtig. Es nahm in wenigen Tagen fast einviertel des gesammten Universums ein. Um den Rest zu schützen, verbannten sich die Geister selbst in fünf Körper auf der Erde. Dies verursachte zwar, dass das Nichts deutlich langsamer Platz einnahm, doch so konnte es dennoch nicht ganz gestoppt werden. Alle 1.000 Jahre nehmen die Geister neue Körper ein, um an frische Energie zu kommen.“
Markus machte eine lange Spannungspause. „Und ich denke, diesmal hat es dich erwischt.“
Mir stockte der Atem. Millionen von Fragen flogen durch meinen Kopf. Warum ich, wollte ich gerade fragen, doch auf einmal kam ich mir so komisch vor. So … benommen. Langsam taumelte ich nach hinten. „Wie wird mir?“ stammelte ich. „Oh nein. Es geht los!“ hörte ich Markus rufen. Doch seine und alle anderen Stimmen, kamen mir immer weiter entfernt vor, bis ich plötzlich ganz ohnmächtig wurde.
Ich wachte in meinem flauschigen Bett auf. Alles schien nur ein Traum zu gewesen sein. Das dachte ich zumindest, bis ich bemerkte, wie etwas haariges auf meiner Wange herum spazierte. Kreischend sprang ich aus dem Bett. Eine Spinne plumpste dumpf auf mein Kopfkissen, wo sich bereits seine Kumpels zu tummeln schienen, denn in meinem gesammten Zimmer krabbelten hunderte von Spinnen und anderer ekliger Tiere die Wände rauf und runter und … ist das dort etwa mein Hamster, den ich vor sieben Jahren ausVersehen zerdrückt habe?
Der Geist der Zerstörung
Er nennt ihn Big Bob. Ein möchtegern Polizist, der nichts mehr liebt, als sich selbst. Als Rachid eine wertvolle Kette stielt, entsteht eine rasante Verfolgungsjagd, welche ihn anschließend sogar in eine andere Dimension befördert.
„Haltet den Dieb!“ ertönte eine krächzende Stimme hinter mir. Erschrocken drehte ich mich um.
Die Kette, welche ich eben noch gestohlen hatte, glitt Stück für Stück aus meiner Hand, bis sie schließlich ganz herausfiel. Ich versuchte sie noch in der Luft zu fangen, aber vergebens. Als ich sie vom Boden aufheben wollte, blickte ich auf schwarze Stiefel. Langsam und unsicher glitt mein Blick immer weiter nach oben, bis ich schließlich in das von Narben übersehte Gesicht von Big Bob schaute. Er war mir schon vor ein paar Wochen begegnet, als ich einen Apfel stehlen wollte. Kein angenehmer Besuch kann ich euch sagen. Wollte mich bei der Polizei verpetzen. Zum Glück konnte ich mich dann aber doch noch aus seinen Fängen befreien und wegrennen. Doch diesmal war es kein einfaches Obst, sondern eine wertvolle Kette aus Silber und Diamanten. Big Bob, den Namen habe ich ihm gegeben, passt glaube ich ziemlich gut, würde mich wohl diesmal nicht so harmlos davonkommen lassen. In meinem Kopf malte ich mir Bilder aus, wie ich, von Big Bob gefoltert, in seinem Keller hockte. Nein, dazu würde es nicht kommen. Diese Kette muss bei meiner Mutter ankommen. Vielleicht, würde sie dann ja ein bisschen glücklicher werden. Wenigstens etwas. Entschlossen griff ich nach der Kette und sprintete blitzschnell los. „Tut mir leid Big Bob, aber ich habe es sehr eilig. Vielleicht können wir ja ein andermal plaudern,“ rief ich ihm hinterher.
„Hey, bleib stehen du Tagedieb! Gib der alten Frau die Kette wieder zurück!“ hörte ich ihn hinter mir kreischen. Ich denk gar nicht daran, dachte ich. Big Bob hielt sich für den größten Polizisten der Weltgeschichte, obwohl er noch nicht einmal einer ist. Außerdem macht er das alles nur für Ruhm und ein bisschen Trinkgeld, mit Sicherheit nicht um den Leuten zu helfen. Hektisch schaute ich nach hinten. Big Bob holte immer weiter auf. In seinem Gesicht, konnte man schon förmlich die Gier nach Ruhm und Geld sehen. Er mag ja vielleicht schneller als ich sein, doch mit Sicherheit nicht wendiger. Ich bog in eine Gasse ab und beobachtete, wie Big Bob dasselbe tat. Shit, dachte ich. Ich musste mir etwas besseres einfallen lassen, wenn ich nicht für den Rest meines Lebens gefoltert werden will. Instinktiv sprang ich vom Boden hoch, stieß mich von der Wand ab und landete mit meinem anderen Fuß auf der linken Wand. Dies wiederholte ich noch einige Male, bis ich schließlich mit beiden Füßen sicher auf einem flachen Dach landete. Verärgert schaute Big Bob zu mir rauf. Ich dachte, nun wäre ich vor ihm sicher, doch da irrte ich mich gewaltig, denn ich sah wie er langsam Anlauf nahm und dann mit Höchstgeschwindigkeit auf ein Haus zuraste. Einen ganzen Meter stieß er sich vom Boden ab und bekam dann das Dach des Hauses zu fassen. Lässig zog er sich hoch und stand mir nun gegenüber. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Jetzt trennte uns nur noch die eineinhalb Meter breite Gasse, zwischen seinem und meinem Haus voneinander.
Ich dachte an meine Mutter und die schönen Erlebnisse, die wir beide miteinander teilten. Ich musste ihr diese Kette bringen, koste es was es wolle. Ich nahm Anlauf und sprang dann, so schnell, wie ich nur konnte, von Dach zu Dach. Hinter mir nahm ich die lauten Schritte von Big Bob wahr, der immer näher kam. Es entstand eine Verfolgungsjagd, die in die Geschichtsbücher hätte eingehen können. Nun musste sie aber beendet werden und zwar von mir. Mein Blick huschte über die Umgebung. Irgendwo musste sich doch ein Ort finden, wo ich Big Bob abschütteln konnte. Schließlich blieb mein Blick bei einem großen Marktplatz stehen, wo sich haufenweise Menschen tummelten. Wenn ich ihn abschütteln konnte, dann ja wohl hier. Doch wie sollte ich seinen Blick von mir wenden lassen? Da fiel mir ein Trick ein, den mein älterer Bruder immer bei mir benutzt hat, bevor er …
Nein, an meiner Trauer sollte es nun nicht scheitern, ich war so kurz davor, ihm zu entkommen. „Was ist das?!“ rief ich plötzlich und zeigte gen Himmel. „Was?“ Verwirrt schaute sich Big Bob um. Den Augenblick nutzte ich, um die Dächer Rabats zu verlassen und in die Menschenmenge einzutauchen. Schnell setzte ich mir meine Kapuze auf und verlangsamte mein Schritttempo, um nicht aufzufallen. Hinter mir hörte ich Big Bob fluchen. Nun war ich für ihn, wie unsichtbar. Ich hatte es geschafft. Erleichtert ließ ich mich auf den Boden fallen und betrachtete die Kette, wie sie in all ihren Farben glänzte und glitzerte. Doch plötzlich spürte ich, wie eine eiskalte Hand meine Schulter berührte.
Erschrocken drehte ich mich um und blickte in die Augen eines wunderschönen, jungen Mädchens. Aber davon ließ ich mich nicht täuschen. Ich kannte sie nicht und alle die ich nicht kenne sind Feinde, so will es das Gesetz. „Wer bist du?“ fragte ich drohend. „Etwa eine Gehilfin von Big Bob?“ „Nein“ antwortete sie kalt. „Hier können wir nicht reden, komm mit.“ „Hey, wer bist du und was willst du von mir?“ setzte ich nach, doch das Mädchen schien sich davon nicht beeindrucken zu lassen, denn sie zog mich einfach weiter mit sich. „Hallo, ich spreche mit dir!“ erinnerte ich sie. „Sei still!“ forderte sie mich auf, mit einer so dominanten und mächtigen Stimme, dass ich sofort verstummte und widerwillig ihrem Willen folgte. „Oder willst du etwa, dass sie uns finden?“ fügte sie hinzu. „Wen meinst du?“ fragte ich verwirrt. „Die Krieger des Nichts natürlich!“ antwortete sie so als würde ich das wissen. „Welche Krieger? Hey, weißt du eigentlich, dass du in Rätseln sprichst?“ Keine Antwort. Schließlich stoppte sie in einer engen Gasse. „Er wird alles erklären,“ sagte sie nervös. Wer, wollte ich gerade fragen, doch auf einmal spürte ich einen stechenden Schmerz in meiner Brust, der gleichzeitig so kalt war, wie alles zusammen, das ich je an Kälte gespürt habe. Dann wurde mir schwarz vor Augen.
Als ich aufwachte, fühlte ich mich, als wäre Big Bob zehn Mal auf meinem Schädel auf und ab gesprungen und hätte mich anschließend in eiskaltes Wasser geschmissen. „Wo bin ich?“ fragte ich benommen. Keine Antwort. Anfangs sah ich alles verschwommen, doch nach und nach verbesserte sich meine Sicht, bis ich mich schließlich auf einem Schlachtfeld wiederfand. Und nicht nur das. Ich war mitten in einer Schlacht. Schüsse flogen hin und her. Granaten wurden abgefeuert und Panzer fuhren von A nach B. Panisch suchte ich einen Ort, wo ich vor den Schüssen sicher war. Dabei wirbelten tausende Fragen durch meinen Kopf. Warum bin ich hier, und wo bin ich überhaupt? In meiner Eile entdeckte ich nur eine lange Furche, die circa ein dutzend Soldaten beherbergte. Schützengraben, so hatte ich es im Geschichtsunterricht gelernt. Gruben, wodrin sich die Soldaten vor jeglichen Angriffen schützten und dennoch selber schießen konnten. Ich nahm all meinen Mut zusammen und sprintete los.
Eigentlich hätte ich schon hundert Mal getroffen werden müssen, doch auf wundersame Weise, erreichte ich den Graben, ohne auch nur einen Kratzer abzukriegen. Als ich wusste, dass ich sicher war, atmete ich erleichtert durch. Dieser Tag enthielt eindeutig zu viel Aufregung für mich. Plötzlich hielt ich inne. Was würden die Soldaten wohl nun von mir denken. Würden sie mich für einen Spion halten und naja, töten? Doch nichts der gleichen geschah. Sie schienen mich noch nicht einmal zu bemerken. Langsam kam in mir der Mut wieder hoch und ich stupste vorsichtig einen Soldaten an, der gerade seine Waffe nachlud. Ein fürchterlicher Schauer lief mir über den Rücken, als mein Finger einfach durch ihn hindurch glitt.
Was ist das nur für ein Ort, fragte ich mich. „Diese Frage kann ich dir beantworten,“ ertönte plötzlich eine tiefe Stimme hinter mir, so als könne er meine Gedanken lesen. Für den ersten Moment dachte ich, es wäre ein Soldat. Diese Antwort verstärkte sich auch noch, als ich mich umdrehte. Ich blickte in die Augen eines muskulösen Mannes, dem eine tiefe Narbe durchs Gesicht fuhr. Seine Augen waren rot angeschwollen, sein Schnurbart zuckte bei jeder Sekunde die ich ihm länger in die Augen schaute, so als sei er nervös. Dennoch erkannte man, dass er bereits viele Schlachten hinter sich hatte, die bestimmt nicht alle gut ausgingen, denn neben der Narbe besaß er auch noch eine Beinprotese aus Holz. „Tut mir leid, dass ich so nervös wirke. Ich bin es einfach nicht gewohnt, mit Menschen oder generell zu reden.“ Verwirrt schaute ich ihn an. Wenn er doch hier im Krieg ist, müsste er dann nicht auch des öfteren mit seinen Soldaten gesprochen haben?
Ich wollte ihn gerade nach seinen Namen fragen, doch der Soldat begann plötzlich hektisch zu reden. So als wüsste er, was ich sagen würde und wolle seinen Namen nicht nennen. „Du wolltest wissen, wo du hier bist, richtig?“ „Äh, ja?“ antwortete ich, immer noch ein wenig perplex. „Du bist im Jahre 1914, kurz nachdem Deutschland Frankreich den Krieg erklärt hat. Die Soldaten beachten dich nicht, da du in ihren Augen gar nicht existierst. „Äh, wie meinst du das?“ fragte ich wieder einmal verwirrt. „Wir beide sind gerade in einer anderen Realität. Wir können sie sehen, doch sie uns nicht. Deshalb wurdest du auch nicht von den Schüssen getroffen,“ erklärte der Soldat. „Und was mach ich jetzt hier?“ So langsam kam ich mir etwas dumm vor mit der ganzen Fragerei, aber ich wollte nunmal alles wissen. „Hast du schon mal von den fünf Geistern gehört?“ Ich schüttelte den Kopf. „Also es war so…“
Er begann einen Vortrag, über die Entstehung des Universums, von irgendwelchen Geistern, die für verschiedene Sachen zu ständig waren und von den Auserwählten. Jedoch konnte ich ihm nur halb zuhören, da ich immer wieder von seinem zuckenden Schnurbart abgelenkt wurde. Als er aber von Soldaten des Nichts sprach, weckte er wieder mein Interesse. „Etwa die, von denen das Mädchen von vorhin gesprochen hat?“ fragte ich so schnell, dass ich mich verschluckte. „Richtig. Es gibt insgesamt fünf, eigentlich für jeden Geist einen, doch dieses Mal haben sie sich wohl zusammengetan und wollten dich fangen, was ihnen wohl fast geglückt war, wie ich hörte.“
Der Soldat, der immer noch nicht seinen Namen genannt hat, schaute mich vorwurfsvoll an. Ich begriff zuerst nicht, was er meinte, doch so langsam schimmerte es. „Meinst du etwa Big Bob?“ fragte ich leicht verduzt. „Wenn du den meinst, der dich über die Dächer verfolgt hat, ja,“ antwortete der Soldat, bei dem das Bartzucken langsam aufhörte. „Sie sind die Diener des Nichts und deshalb nach ihm und den Geistern die gefährlichsten Lebewesen im ganzen Universum. Du konntest „Big Bob“ nur zweimal entwischen, da er erst noch Macht und Stärke entwickeln muss. Ihre gefährlichste Fähigkeit ist die Unsterblichkeit, die selbst das Nichts und die Geister nicht besitzen.“
Nun wagte ich es endlich, ihn wieder auf seinen Namen anzusprechen, doch auf einmal presste er blitzschnell seine Hände an meinen Brustkorb und wiedereinmal gefror das Blut in meinen Adern zu Eis. „Tut mir leid, dass ich dich jetzt so plötzlich wieder wegschicken muss, doch es ist besser für alle Beteiligten, wenn du meinen Namen nicht weißt.“ Dann wurde ich ohnmächtig.
Ich kam benommen zu mir. Mein Schädel brummte abermals und ich musste erst einmal mein Gleichgewicht wiederfinden, bevor ich aufstehen konnte. Als meine Sicht auch wieder klarer wurde, erstarrte ich. Ganz Rabat lag in Schutt und Asche.
Der Geist der Zeit
Sie ist wie eine Zecke, die nicht von einem lässt. Die stärkste ihrer Art. Ben und seine Freunde, müssen sich ihr jedoch entgegenstellen, damit er an seine neuen Kräfte gelangen kann. Ein Kampf um Leben und Tod beginnt.
Ich rannte. Rannte und rannte. Ich wusste nicht wohin und hatte jegliche Orientierung verloren, aber dennoch machte ich weiter. Mein Herz pulsierte im Höchsttempo. Ich wollte eine kurze Pause einlegen und noch einmal kräftig durchatmen, doch ich konnte nicht. Meine Lungen brannten vor Schmerz. Die Beinverletzung, die mich nun schon seit Tagen plagte, raubte mir meine letzte Kraft.
Erschöpft ließ ich mich auf den Boden fallen und wartete auf mein Schicksaal. Ich wusste, dass ich jeden Moment sterben würde, dass sie mich fangen und töten wird, wenn sie mich eingeholt hat.
Ich hörte Schritte näher kommen. Für den ersten Moment dachte ich, sie gehörten der Frau, doch als eine sanfte Stimme zu mir sprach, kehrte langsam die Hoffnung in mir zurück. „Komm, wir müssen dich hier wegkriegen, bevor sie uns eingeholt hat,“ erklärte die Stimme. Langsam richtete ich mich auf und blickte in die Augen eines jungen Mädchens, circa in meinem Alter. Ihre pechschwarzen Haare hingen quer verstreut auf ihrem Kopf. Ihre Haut war kreideweiß, dass man sie glatt für einen Vampir hätte halten können. Sie trug eine weite, schwarze Jogginghose, ein lässiges T-Shirt und ein durchsichtiges Hemd, derselben Farbe. Ich wollte gerade Fragen, wer sie sei, doch da hörte ich das vertraute Fauchen der Frau, die mich nun schon seit einer Woche verfolgte und plagte. „Schnell, versteck dich!“ befahl das Mädchen. Verzweifelt suchte ich nach einer schmalen Gasse, einem Müllkontäner oder etwas ähnlichem, doch ich fand nichts der gleichen.
Und plötzlich stand sie vor uns, mit ihrem kalten, herzlosen Lächeln. Sie trug weißes Makeup, das aber dennoch immer noch lange nicht mit der Blässe des Mädchens mithalten konnte. Ihre langen, blonden Haare waren an den Seiten zu zwei Zöpfen zusammengebunden, die mit kleinen Bändern, der jeweiligen Farben blau und rot verziert waren. Sie stehen für die Elemente Feuer und Eis, mit denen ich schon Bekanntschaft machen durfte. Ihre Kleidungsstücke waren wild zusammen gemixt. So trug sie beispielsweise einen schwarzen Minirock, bunte Socken, die ihr bis zum Knie ragten und ein Einhorn T-Shirt zusammen mit einer gelben Wanweste. Der Anblick sollte eigentlich witzig sein, jedoch strahlte sie einfach eine zu kalte Aura aus, um über ihren Kleidungsstil lachen zu können.
„Oh, wie ich sehe hast du Unterstützung vom Geist des Todes bekommen, wie ich sehe.“ Die Frau lachte. „Der Geist des was?“ fragte ich verwirrt zum Mädchen gerichtet. „Erklär ich dir später, renn!“ rief sie panisch. „Ich komme schon allein zu recht.“ Ich hörte auf ihre Worte, doch konnte sie sie wirklich besiegen. Sie besaß zwar eine mächtige Aura, das spürte ich, doch konnte sie wirklich gegen Kälte und Hitze siegen? Ich bezweifelte es. Vielleich war sie in der Lage, sie für eine gewisse Zeit lang aufzuhalten, doch es war nur eine Frage der Zeit, bis die Frau sie in kleine Stücke zerfetzen würde. Anfangs, als ich ihr das erste Mal begegnet war, war sie noch schwach und zerbrechlich, kaum einmal möglich ihren Arm zu heben. Doch mit der Zeit entwickelte sie sich zu einer gefährlichen Kampfmaschine, die es mit 100.000 Soldaten aufnehmen könnte.
Ich konnte mir bisher nur einen Vorsprung verschaffen, da ein Junge, ich glaube er hieß Brian, es mit ihr aufgenommen hat. Sie kämpften drei Tage und Nächte durch, bis er schließlich vor Erschöpfung fliehen musste. Ich beobachtete den Kampf in den Nachrichten, die nun schon jede halbe Stunde von ihm berichteten.
Ganz Chicago wurde evakuiert. Ich war der einzige den das Schicksaal nicht aus dieser Stadt gehen ließ. Meine Eltern waren schon seit einigen Jahren tot und ich lebte auf der Straße. Ins Kinderheim wollte ich nicht. Ich liebte, so schwer es auch zu begreifen klingt, mein Leben als Obdachloser, frei von jeglichen Regeln. Oft spielte ich im Wald, außerhalb Chicagos mit den Tieren. Abends jedoch übernachtete ich meistens bei meinem Kumpel Jason. Seine Eltern wussten nichts von mir, da sie eh ständig auf Geschäftsreise waren. Wir fraßen uns oft voll mit Chips und tranken Cola bis uns der Bauch wehtat. Einen Film nach den anderen haben wir geschaut, bis wir dann schließlich irgendwann glücklich einschliefen. Mein Leben war perfekt, bis sich Jason auf einmal vollkommen veränderte. Er ließ mich nicht mehr in sein Haus und ich begann unter Brücken, in Tunneln oder ähnlichem zu schlafen. Und dann kam die Frau, die mein Leben für immer ruinieren sollte.
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als das Mädchen plötzlich um Hilfe schrie. Panisch drehte ich mich um und erstarrte vor Schreck. Sie war gefangen, in einem Block aus Eis. Die Frau kam, mit einem irren grinsen auf sie zugerannt. Feuer umgab ihre Faust. Sie würde sie mit einem Schlag töten, soviel war klar. Das Mädchen war mit Sicherheit nicht in der Lage, ihre Umgebung nach ihrem Willen zu verändern und sich somit aus dem Eis zu befreien, wie Brian es tat. In meiner Verzwifelung rief ich. „Hey, wolltest du nicht eigentlich mich töten?“ Die Frau schaute mich verduzt an, begriff dann aber, dass ich einen dummen Fehler begonnen hatte. „Was tust du denn da?“ brüllte das Mädchen. Ich würde gern behaupten, dass ich es wusste, doch das tat ich nicht. Panisch sprintete ich davon, so schnell mich meine verletzten Beine trugen. Ich hörte die lauten Schritte der Frau, die mir immer näher kamen, bis sie mich schließlich fast eingeholt hatte. Ohne sie sehen zu können, wusste ich, dass sie gerade mit einem wahnissingen Grinsen und brennender Faust auf mich zudreschte.
Und dann wartete ich. Wartete und wartete. Eigentlich hätte ich schon längst tot sein sollen, doch ich lebte immer noch. Schließlich wagte ich es, mich umzudrehen und schaute auf blanken Felsen. Verwirrt schaute ich mich um. Wohin war die Frau verschwunden? Dann entdeckte ich Brian, der bereits in einen weiteren Kampf mit der Frau verwickelt war. Er wehrte sich mit Felsen und griff mit Pfeilen an, während seine Gegnerin mit Feuer und Eis auf ihn eindrosch.
Bildete ich es mir nur ein, oder verformte sich gerade ganz Chicago? Noch konnte ich nicht erkennen, was es werden sollte, doch eins war klar. Brian war stärker geworden und zwar deutlich. Dann zog mich eine Hand hinter den Felsen. Für den ersten Moment dachte ich, die Frau hätte sich so schnell aus dem Kampf ziehen und mich angreifen können, doch es war nur das Mädchen. Erleichtert atmete ich auf. „Ich muss mich jetzt von dir verabschieden,“ sagte sie leicht nervös. Ich wusste nicht genau, wie sie das meinte, doch plötzlich spürte ich einen stechenden und eiskalten Schmerz in meiner Brust und fiel in Ohnmacht. Sie hatte mich verraten. Das dachte ich zumindest.
Als ich mit brummenden Schädel aufwachte und versuchte aufzustehen, was mir bei den ersten paar Versuchen nicht wirklich gelang, musste ich stutzen. Ich stand in einem riesigen Raum, voller Sterne, Galaxien und Planeten. Als mein Vater noch lebte, gingen wir oft zusammen ins Planetarium.
Jedes Mal war ich begeistert von der beeindruckenden Schönheit des Universums. Doch das hier fühlte sich so real an, dass man fast meinen könnte, dass ich hier gerade wirklich mitten im Weltall stand. „Das Universum sieht beindruckend aus, nicht war?“ ertönte eine raue Stimme hinter mir. Hektisch drehte ich mich um. Ich blickte in die müden Augen eines alten Mannes. Er sah schwach und zerbrechlich aus, aber dennoch mächtig und stark. Seine langen, weißen Haare waren zu kleinen Zöpfen zusammengebunden. Sein Bart reichte ihm bis zu den Knien. Der Mann trug ein elegantes Kleid, das durch das Muster, welches aus Sternen und Galaxien bestand, gut in die Umgebung mit einfloss. Er sah freundlich aus. Sein Blick war aber dennoch leer und voller Trauer.
„Wer bist du?“ fragte ich. Der Mann atmete tief durch. „Meinen Namen kenne ich nicht, aber ich kenne deinen.“ Ich schaute verwirrt in seine trägen Augen. Einerseits deshalb, warum er seinen Namen nicht kennt. Ist er wirklich so alt, dass er sich selbst daran nicht erinnern kann. Wie lang ist er wohl schon allein? Jahre? Jahrzehnte? Andererseits aber auch, warum er meinen kennt. Ich hielt mich mein ganzes Leben lang für einen unwichtigen und törichten Jungen, der ab uns zu Nachbarn gerne Streiche spielte. Doch nun, schien die Welt sich allein um mich zu drehen. Es fing schon an, als die Frau begann mich zu verfolgen. Plötzlich war Brian da, der sein Leben riskierte, um ihn zu schützen. Dann war da noch das mysteriöse Mädchen. Sie wusste, dass sie keine Chance gegen die Frau hatte, hatte es aber dennoch mit ihr aufgenommen. Und jetzt war da dieser Mann. Noch nie hatte ich mich so wichtig gefühlt wie jetzt. Ich hielt inne. Warum war ich hier, warum wollte diese Frau mich um jeden Preis töten? Tausende Fragen wirbelten durch meinen Kopf und bereiteten mir Kopfschmerzen. „Ich kann dir sagen was du wissen willst,“ sagte der Mann, so als könne er meine Gedanken lesen. „Als ich auserwählt wurde, hatte ich die gleichen Fragen. Doch nun bin ich hier um sie dir zu beantworten.“ Ich stellte meine erste Frage. „Wo bin ich?“ „Dies lässt sich leicht beantworten. Du bist in einer Simulation des Universums. Hier habe ich die letzten 500 Jahre verbracht. Als wir die Krieger zurück ins Nichts vertrieben hatten und somit unsere Aufgabe erfüllt war, setze ich mich zur Ruhe und wartete auf den heutigen Tag, der mir ein sterbliches Leben ermöglichen wird,“ erklärte der Mann. Ich war so verwirrt, dass ich keine weitere Frage zustande brachte. Zum Glück aber begriff mein Gegenüber, dass ich noch so unendlich viele davon hatte.
„Ich verstehe schon. Wir müssen bei dir wieder bei Null anfangen. Aber ich habe Zeit.“ Er sprach dieses Wort so aus, als hätte es irgend etwas mit mir zu tun. Der Mann erklärte mir, wer die fünf Geister waren und warum ausgerechnet ich jetzt hier bin und nicht ein anderer Teenager, der eine schwere Kindheit hinter sich hatte. Nur ich, so sagte er, wäre in der Lage die Last des Geistes mit mir zu tragen. So ganz verstand ich es immer noch nicht, aber trotzdem hörte ich aufmerksam zu.
Als der Mann, der sich nun als Geist der Zeit vorgestellt hatte (und hier bestätigten sich auch meine Überlegungen), mich über die anstehende Bedrohung aufklärte, verdüsterte sich mein Blick.
Er ließ einen schwarzen Fleck erscheinen, der sich rasant ausdehnte. „Das hier ist das Nichts, der ursprüngliche Besitzer des Weltalls,“ erklärte der Mann. „Es löscht jeden Tag Tausende von Galaxien aus und damit auch Trilliaden Leben. Die Erde,“ er ließ einen weiteren Planeten erscheinen, „liegt genau im Zentrum des Universums und ist damit der ideale Platz, um an Energie von sterblichen Leben zu gelangen. Diese Energie verlangsamt das Nichts in seinem Prozess, kann sie jedoch nicht ganz stoppen. Um aber in der gewohnten Geschwindigkeit das Universum einzunehmen, hat das Nichts fünf Soldaten auf die Erde gesendet, die die Hüllen der Geister töten sollten, um die Energie auszulöschen. Meine und die Energie aller anderer Menschen meiner Generation ist bald schon vollständig aufgebraucht, also haben die Geister sich dazu entschieden, in neue Hüllen zu schlüpfen.“ Er machte eine lange Pause. „Einer der Hüllen bist dann wohl du.“
Nachdem der alte Mann mit erzählen fertig war, fühlte ich mich so elend wie noch nie. Das Schicksaal von unvorstellbar vielen Lebewesen lag in meinen Händen. Könnte ich wirklich diese schwere Last auf mich nehmen? Plötzlich spürte ich wieder den eiskalten Schauer von vorhin und wieder fiel ich in Ohnmacht. Ich wachte in einer Pfütze aus Schlamm und anderen ekeligen Substanzen auf, von denen ich gar nicht den Namen wissen wollte. Auf meinen Rücken stampften kleine, schwere Beinchen herum, die aufgeregt von A nach B liefen. „Wo bin ich?“ brachte ich mit ekelverzertem Gesicht heraus. „Du liegst in einer Urinpfütze,“ ertönte eine vertraute Stimme. Zuerst drehte ich mich mit drohenden Miene um, doch dann verwandelte sie sich langsam zu einem lächeln. Vor mir standen Brian, das Mädchen und noch zwei andere Jugendliche. Sie schienen mich schon erwartet zu haben. Ich versuchte aufzustehen, doch dabei rutschte mir leider das kleine Tier den Rücken hinunter, das sich als Schildkröte erwies. Wütend starrte sie mich an. Sie hätte eigentlich niedlich aussehen sollen, doch irgendwie machte sie mir Angst. Die vier Teenager lachten. „Bucket kann sehr schnell gereizt werden, weißt du?“ klärte das Mädchen mich auf. „Bucket? Etwa wie Eimer?“ Ich grinste. Doch als mein Blick hinter die Vier wanderte, erstarrte ich am ganzen Körper. „Wo bin ich?“ fragte ich düster. „Nicht wo, sondern wann,“ antwortete Brian.