Es sollte ein ganz normaler Museumsbesuch werden, der sich dann aber für Maja in eine Achterbahn der Gefühle verwandelte. Eine übernatürliche Kraft scheint über sie herrschen zu wollen, welche jeden ihrer Schritte geplant zu haben schien.


„Hey, sieh dir das an, Maja!“ Mein Vater zeigte auf einen Zettel, der an der morschen Wand des Stadtmuseums hing. Ich schaffte es noch gerade so, meinen Kopf von einer Stufe zu heben und aufzuschauen. „Hier steht, dass heute um 18 Uhr eine Extraausstellung über das alte Japan, im Nachbargebäude ist. Was hältst du davon, wenn wir uns die mal anschauen, hmm …?“ Er legte erwartungsvoll den Kopf schief. Ich atmete tief durch. „Papa, wir schleppen uns schon den ganzen Tag durch dieses öde Museum. Auch bei einer Neueröffnung würden ein bis zwei Stunden völlig genügen … Wenn man überhaupt bei diesem Museum, von so einer sprechen kann. Ich mein, sieh dir mal die Wände an. Igitt! Und die Bilder sind auch nicht gerade spannender geworden. Denn was soll schon so toll an ein paar Kreisen sein. Sowas könnte ja sogar ich zeichnen.“ Mein Vater verschränkte beleidigt die Arme. „Pah! Du verstehst auch wirklich nichts von Kunst. Also ich schau mir die Ausstellung auf jeden Fall an. Du kannst ruhig wieder nach Hause in dein Kämmerlein verschwinden und den restlichen Tag, nur an deinen dummen Gerät hocken. Wir sehen uns dann heute Abend wieder, schätze ich mal.“ Ohne ein weiteres Wort zu sagen, wante er sich von mir ab und verschwand hinter einem knallpinken Plastikbaum, der, umgeben von zahlreichen anderen, hässlichen „Kunstwerken“, in der Mitte des Museums stand. Ich seufzte. Seit dem Tod meiner Mutter, also seiner Frau, war er sehr leicht reizbar und suchte ständig Dinge um sich abzulenken, wie zum Beispiel Museen, und dabei findet er sie selber nicht einmal spannend. Was ihn aber am meisten bedrückte, war die Tatsache, das Mamas Todesursache bis heute noch völlig ungeklärt ist.

Selbst die fähigsten Wissenschaftler scheiterten an dem Versuch, die Ursache herauszufinden. Eines Morgens wollte ich sie aufwecken und dann, naja … war sie tod. Bei dem Gedanken kullerte mir eine Träne die Wange hinunter, die ich aber schnell wieder abwischte. Nein, ich musste Papa helfen, endlich wieder glücklich zu werden und sich nicht Tag für Tag, mit dem Gedanken rumquälen zu müssen. Entschieden bog ich kurz vor dem Ausgang wieder um und kehrte, so schnell es in einem Museum erlaubt war, wieder zurück zu meinem Vater.

Als ich ihn fand, starrte er gerade ein Bild an, welches eine glückliche Familie, im alten Rom zeigte. In seinem Blick herrschte gähnende Leere. „Hey! Ich setzte mich zu ihm und legte meinen Kopf auf seine Schulter. Er zuckte kurz zusammen, entspannete sich dann aber doch wieder und nahm mich in seine Arme. „Weißt du, ich bin so froh, dass ich dich habe, auch wenn es manchmal nicht ganz so scheint,“ flüsterte er, sodass nur ich es hören konnte. „Ich auch.“ brachte ich noch gerade so heraus, bevor die nächste Träne, meine Wange hinunter huschte. Diesmal war es aber eine Träne der Erleichterung.

„Oh!“ machte mein Vater schließlich nach einer Weile. „Es ist schon kurz nach sechs. Wir sollten uns beeilen, damit wir uns noch die ganze Ausstellung, mindestens fünfmal anschauen können, bevor das Museum schließt.“ In seiner Stimme, lag ganz klar Ironie, was mich beruhigte. Nicht nur, weil ich mich dann nicht noch bis Mitternacht hier durchquälen muss, sondern auch, weil ich Papa schon lange nicht mehr so glücklich gesehen habe. Gemeinsam schlenderten wir das Museum entlang, frei von jeglichen Sorgen. Doch das, sollte nicht für immer so bleiben.

„Deng, deng, deng, deng, machte es, als wir gerade die Tür zur Ausstellung öfnen wollten. Mein Vater und ich schauten uns gegenseitig fragend an. „Das klingt wie irgendwer, oder irgendetwas, das gegen einen Eimer läuft. Vielleicht sollten wir mal nachsehen, was da los ist. Papa seufzte. Aber nur kurz. Die Ausstellung wartet nicht ewig auf uns. Nachdem ich ihm bestätigen musste, dass dies nur maximal fünf Minuten dauern wird, machten wir uns gemeinsam auf den Weg, die Ursache für dieses nerventötende Geräusch herauszufinden.

Wir bogen um eine Ecke ab und fanden … eine Schildkröte vor, die mit ihrem Kopf auf einen Eimer einstieß? „Hey, kleines Ding, was suchst du denn dort unter dem Eimer? Ich versuchte die Schildkröte auf die Hand zu nehmen, doch sie kletterte einfach wieder hinaus und fuhr ihre Aktivität wieder fort. „Achje!“ seufzte ich und hob den Eimer hoch, bevor sich das Tier noch eine Gehirnerschütterung holte. Ein Salatkopf kam zum Vorschein, den die Schildkröte gierig verschlang. „Boar, du hast aber einen Bärenhunger, was?

Hm… ich glaub ich nenn dich Bucket. Ich startete noch einmal den Versuch, das Tier auf die Hand zu nehmen, doch diesmal ließ er sich ohne Probleme tragen. Ich stopfte mir den restlichen Salat in die Tasche und wollte gerade Bucket zu meinem Haustier erklären, da ihn ja niemand zu gehören schien, doch dann fiel mir wieder ein, dass Papa panische Angst vor Reptilien jeglicher Art hat und mir niemals eine Schildkröte erlauben wird. Wegen seiner Angst ist er wahrscheinlich auch verduftet und schon einmal vorgegangen. Doch konnte ich, so ein armes kleines Wesen, einfach im Museum verhungern lassen? Selbst das wird er noch nicht einmal schaffen, wenn die Tierfänger erst einmal hier aufkreuzen. Ich entschied mich also schließlich dafür, Bucket in meiner Tasche zu verstecken und so zu tun, als würde er sich immer noch den Schädel kaputt schlagen, dann ging ich aber schon wieder zurück zur Ausstellung, wo bereits eine noch viel größere Überraschung auf mich wartete.

„Papa, da bin ich schon wied …“ Weiter kam ich nicht, da eine uralte, schwarze Vase meine Aufmerksamkeit erregte. Sie … sie funkelte so schön im strahlenden Sonnenlicht, das über die dunklen Rosen tanzte, die zur Verzierung dienten. Ich hatte plötzlich das Verlangen, diese Vase zu berühren und ich würde alles tun, um mein Ziel zu erreichen. „Maja?“ Ich nahm die Stimme meines Vaters war, schwach, aber dennoch deutlich. „Maja, ist alles okay bei dir?“ Ich ignorierte ihn einfach und lief weiter, immer weiter geradeaus, den Blick auf die Vase gerichtet. Es war, als würde etwas mich kontrollieren, doch konnte das wirklich sein? Mein Sichtfeld verschwamm. Die aufgebrachten Rufe meines Vaters, kamen mir immer weiter entfernt vor, doch auch gleichzeitig so nah. Dann passierte es. Mein Finger berührte die Vase, welche plötzlich überall Risse bekam. Nun war ich wieder völlig bei Bewusstsein. Meine Umgebung wurde immer klarer und die Stimme meines Vaters immer deutlicher. „Maja, was ist passiert?“ rief er und ging, so schnell er konnte auf mich zu. Ich wollte ihm gerade antworten, doch dazu kam es nicht. Die Vase explodierte, Splitter flogen durch die Gegend, Menschen schrien. Es war ein einziges Chaos. Doch das wirklich erschreckende war, dass dort, wo gerade eben noch eine antike, japanische Vase stand, plötzlich eine schwarze Rauchwolke aufstieg, die sich mir langsam näherte.

Die Schreie wurden lauter und ich panischer. Was sollte ich jetzt nur tun? Ich entdeckte ein japanisches Schwert, in einer Vitrine. In meiner Panik, schlug ich das Glas, was eh schon, durch mehrere Splitter beschädigt wurde, kaputt und umklammerte den Griff mit beiden Händen. Zu dem ganzen Chaos, gesellte sich nun auch noch der Alarm einer Sirene hinzu, die wohl durch meine Notlösung ausgelöst wurde. Doch das war mir jetzt egal. Ich hatte eine Mission zu erledigen. Wütend schlug ich auf die Wolke zu, in der Hoffnung es irgendwie besiegen zu können, doch dies war Qualm, weshalb die Klinge des Schwertes einfach hindurch glitt. Es war, als würde ich auf Luft einschlagen. Mit jedem Schlag und mit jedem Atemzug wurde ich erschöpfter, bis ich mich schließlich einfach auf dem Boden fallen ließ, während die Rauchwolke immer näher kam, bis sie schließlich genau über meiner Brust stehen blieb. Na los, bringen wir es hinter uns, dachte ich. Ich hatte keine Ahnung warum ich dachte, diese Wolke könnte mich töten. Es war einfach so ein Gefühl. Mit zugekniffenden Augen, wartete ich auf mein Schicksaal. Schweiß tropfte meine Stirn hinunter. Eine lange Zeit geschah nichts, bis ich plötzlich einen eiskalten Schauer spürte, der durch meinen gesammten Körper fuhr, biss ich schließlich nur noch schwarz sah.

Ich wachte in einem schwarzen Raum auf. Mein Kopf brummte und meine gesamten Gliedmaßen schmerzten. „Wo bin ich?“ Meine Stimme hallte an den Wänden wieder. „Bin ich tot?“ Panik kehrte in mir auf. „Nicht ganz.“ antwortete eine elegante Frauenstimme. „Aber mit Tod hat dein Schicksaal auch zu tun, ja.“ Ich drehte mich hektisch um und blickte in die eisigen Augen, einer asiatisch aussehenden Frau, die gerade damit beschäftigt war, schwarz-lilande Blumen, aus einem Beet zu pflücken. Sie protzte nur so vor Schönheit und Eleganz. Doch gleichzeitig wirkte sie auch so kalt und herzlos. Ihre langen schwarzen Haare waren bis aufs feinste geflegt. Ihr schwarzes Kleid war mit dunklen Rosen verziert, so wie ich sie auch schon auf der Vase gesehen habe. Sie wirkte so, als wäre sie schon lange Tod und nun wieder belebt worden, in eben diesem Körper, eine schwer zu beschreibende Mischung aus Eleganz und Herzlosigkeit. „Wer bist du?“ Mein Herz raste, meine Muskeln spannten sich an. „Mein Name ist Ming Yuang. Ich war vor einigen Jahrhunderten noch eine einfache Reisende, die den Tod fürchtete. Doch seit dem Tag, als ich den schweren Fehler begang und die Vase berührte …“ Sie hielt kurz inne und starrte die Rose in ihrer Hand an, bevor sie mich mit ernstem Blick anshah. „… Seid diesem Tag an änderte sich mein Leben. Ich wurde die, die ich heute bin…“ Ming Yuang lächelte, was mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. „…der Tod.“

Ich erstarrte. Nein, das konnte nicht stimmen, redete ich mir ein. „Leider doch.“ antwortete die Frau, als könne sie meine Gedanken lesen. „Doch dies, soll sich ab dem heutigen Tag ändern. Der Geist des Todes hat sich ein neues Opfer ausgesucht, was zufälligerweise genau vor mir steht.“ Schon wieder schlich sich ein Lächeln auf ihre Lippen, diesmal noch Angsteinflößender als zuvor.

„Nicht wahr Maja?“ Plötzlich bekam ich Panik. Ich versuchte wegzurennen, so weit weg von dieser Frau, wie nur möglich, doch ich kam nicht weit. Schwarze Fesseln schlingelten sich um meine Tallie und trugen mich wieder zurück zu Ming Yuang, die plötzlich vor Wut, fast zu explodieren schien. „Denkst du ernsthaft, ich warte noch einmal eintausend Jahre darauf, dass sich der Geist, der mich schon viel zu lange kontrolliert und terrorisiert, sich jemand Neuen aussuchen kann, dem das gleiche Schicksaal wie mir ereilen wird, hmm?“ Ich wagte es kaum, mich zu bewegen. Plötzlich verwandelte sich die Rose, in der Hand der Frau, in die Rauchwolke, von eben. Panik stieg in mir auf. „Ah, es ist so weit. Ming Yuang strahlte, während der Qualm mir wieder näher kam. Ich will dir noch eines sagen, bevor ich als Sterbliche, wieder zurück auf der Erde erscheinen werde. Ah, wie ich mich darauf freue.“ Der Tod lachte. „Also, eines will dir gesagt sein. Jeder von uns, muss Opfer für seine neuen Kräfte bezahlen, also sei auf das Schlimmste gefasst.“ Mit diesen Worten, verabschiedete sich Ming Yuang von mir. Das letzte was ich wahr nahm, bevor der Qualm mich berührte, war das kalte Gelächter von der Frau, die sich mir als Tod vorgestellt hatte. Von der Frau, deren Schicksaal mich ab diesem Zeitpunkt für immer verfolgen wird. Mit diesem Gedanken, wurde ich ein weiteres mal ohnmächtig.

Langsam wachte ich wieder aus meiner Trance auf. Ich hoffte, alles nur Geträumt zu haben, doch das was ich als nächstes vorfand, warf mich ganz schnell wieder aus dieser Vorstellung. Der reglose Körper meines Vaters, lag auf dem kalten Boden des Museums, durchbohrt von zahlreichen Splittern.