Geschichten, die Flügel verleihen

Kategorie: Ghosts in us (Seite 2 von 2)

Der Geist der Zerstörung

Er nennt ihn Big Bob. Ein möchtegern Polizist, der nichts mehr liebt, als sich selbst. Als Rachid eine wertvolle Kette stielt, entsteht eine rasante Verfolgungsjagd, welche ihn anschließend sogar in eine andere Dimension befördert.


„Haltet den Dieb!“ ertönte eine krächzende Stimme hinter mir. Erschrocken drehte ich mich um.

Die Kette, welche ich eben noch gestohlen hatte, glitt Stück für Stück aus meiner Hand, bis sie schließlich ganz herausfiel. Ich versuchte sie noch in der Luft zu fangen, aber vergebens. Als ich sie vom Boden aufheben wollte, blickte ich auf schwarze Stiefel. Langsam und unsicher glitt mein Blick immer weiter nach oben, bis ich schließlich in das von Narben übersehte Gesicht von Big Bob schaute. Er war mir schon vor ein paar Wochen begegnet, als ich einen Apfel stehlen wollte. Kein angenehmer Besuch kann ich euch sagen. Wollte mich bei der Polizei verpetzen. Zum Glück konnte ich mich dann aber doch noch aus seinen Fängen befreien und wegrennen. Doch diesmal war es kein einfaches Obst, sondern eine wertvolle Kette aus Silber und Diamanten. Big Bob, den Namen habe ich ihm gegeben, passt glaube ich ziemlich gut, würde mich wohl diesmal nicht so harmlos davonkommen lassen. In meinem Kopf malte ich mir Bilder aus, wie ich, von Big Bob gefoltert, in seinem Keller hockte. Nein, dazu würde es nicht kommen. Diese Kette muss bei meiner Mutter ankommen. Vielleicht, würde sie dann ja ein bisschen glücklicher werden. Wenigstens etwas. Entschlossen griff ich nach der Kette und sprintete blitzschnell los. „Tut mir leid Big Bob, aber ich habe es sehr eilig. Vielleicht können wir ja ein andermal plaudern,“ rief ich ihm hinterher.

„Hey, bleib stehen du Tagedieb! Gib der alten Frau die Kette wieder zurück!“ hörte ich ihn hinter mir kreischen. Ich denk gar nicht daran, dachte ich. Big Bob hielt sich für den größten Polizisten der Weltgeschichte, obwohl er noch nicht einmal einer ist. Außerdem macht er das alles nur für Ruhm und ein bisschen Trinkgeld, mit Sicherheit nicht um den Leuten zu helfen. Hektisch schaute ich nach hinten. Big Bob holte immer weiter auf. In seinem Gesicht, konnte man schon förmlich die Gier nach Ruhm und Geld sehen. Er mag ja vielleicht schneller als ich sein, doch mit Sicherheit nicht wendiger. Ich bog in eine Gasse ab und beobachtete, wie Big Bob dasselbe tat. Shit, dachte ich. Ich musste mir etwas besseres einfallen lassen, wenn ich nicht für den Rest meines Lebens gefoltert werden will. Instinktiv sprang ich vom Boden hoch, stieß mich von der Wand ab und landete mit meinem anderen Fuß auf der linken Wand. Dies wiederholte ich noch einige Male, bis ich schließlich mit beiden Füßen sicher auf einem flachen Dach landete. Verärgert schaute Big Bob zu mir rauf. Ich dachte, nun wäre ich vor ihm sicher, doch da irrte ich mich gewaltig, denn ich sah wie er langsam Anlauf nahm und dann mit Höchstgeschwindigkeit auf ein Haus zuraste. Einen ganzen Meter stieß er sich vom Boden ab und bekam dann das Dach des Hauses zu fassen. Lässig zog er sich hoch und stand mir nun gegenüber. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Jetzt trennte uns nur noch die eineinhalb Meter breite Gasse, zwischen seinem und meinem Haus voneinander.

Ich dachte an meine Mutter und die schönen Erlebnisse, die wir beide miteinander teilten. Ich musste ihr diese Kette bringen, koste es was es wolle. Ich nahm Anlauf und sprang dann, so schnell, wie ich nur konnte, von Dach zu Dach. Hinter mir nahm ich die lauten Schritte von Big Bob wahr, der immer näher kam. Es entstand eine Verfolgungsjagd, die in die Geschichtsbücher hätte eingehen können. Nun musste sie aber beendet werden und zwar von mir. Mein Blick huschte über die Umgebung. Irgendwo musste sich doch ein Ort finden, wo ich Big Bob abschütteln konnte. Schließlich blieb mein Blick bei einem großen Marktplatz stehen, wo sich haufenweise Menschen tummelten. Wenn ich ihn abschütteln konnte, dann ja wohl hier. Doch wie sollte ich seinen Blick von mir wenden lassen? Da fiel mir ein Trick ein, den mein älterer Bruder immer bei mir benutzt hat, bevor er …

Nein, an meiner Trauer sollte es nun nicht scheitern, ich war so kurz davor, ihm zu entkommen. „Was ist das?!“ rief ich plötzlich und zeigte gen Himmel. „Was?“ Verwirrt schaute sich Big Bob um. Den Augenblick nutzte ich, um die Dächer Rabats zu verlassen und in die Menschenmenge einzutauchen. Schnell setzte ich mir meine Kapuze auf und verlangsamte mein Schritttempo, um nicht aufzufallen. Hinter mir hörte ich Big Bob fluchen. Nun war ich für ihn, wie unsichtbar. Ich hatte es geschafft. Erleichtert ließ ich mich auf den Boden fallen und betrachtete die Kette, wie sie in all ihren Farben glänzte und glitzerte. Doch plötzlich spürte ich, wie eine eiskalte Hand meine Schulter berührte.

Erschrocken drehte ich mich um und blickte in die Augen eines wunderschönen, jungen Mädchens. Aber davon ließ ich mich nicht täuschen. Ich kannte sie nicht und alle die ich nicht kenne sind Feinde, so will es das Gesetz. „Wer bist du?“ fragte ich drohend. „Etwa eine Gehilfin von Big Bob?“ „Nein“ antwortete sie kalt. „Hier können wir nicht reden, komm mit.“ „Hey, wer bist du und was willst du von mir?“ setzte ich nach, doch das Mädchen schien sich davon nicht beeindrucken zu lassen, denn sie zog mich einfach weiter mit sich. „Hallo, ich spreche mit dir!“ erinnerte ich sie. „Sei still!“ forderte sie mich auf, mit einer so dominanten und mächtigen Stimme, dass ich sofort verstummte und widerwillig ihrem Willen folgte. „Oder willst du etwa, dass sie uns finden?“ fügte sie hinzu. „Wen meinst du?“ fragte ich verwirrt. „Die Krieger des Nichts natürlich!“ antwortete sie so als würde ich das wissen. „Welche Krieger? Hey, weißt du eigentlich, dass du in Rätseln sprichst?“ Keine Antwort. Schließlich stoppte sie in einer engen Gasse. „Er wird alles erklären,“ sagte sie nervös. Wer, wollte ich gerade fragen, doch auf einmal spürte ich einen stechenden Schmerz in meiner Brust, der gleichzeitig so kalt war, wie alles zusammen, das ich je an Kälte gespürt habe. Dann wurde mir schwarz vor Augen.

Als ich aufwachte, fühlte ich mich, als wäre Big Bob zehn Mal auf meinem Schädel auf und ab gesprungen und hätte mich anschließend in eiskaltes Wasser geschmissen. „Wo bin ich?“ fragte ich benommen. Keine Antwort. Anfangs sah ich alles verschwommen, doch nach und nach verbesserte sich meine Sicht, bis ich mich schließlich auf einem Schlachtfeld wiederfand. Und nicht nur das. Ich war mitten in einer Schlacht. Schüsse flogen hin und her. Granaten wurden abgefeuert und Panzer fuhren von A nach B. Panisch suchte ich einen Ort, wo ich vor den Schüssen sicher war. Dabei wirbelten tausende Fragen durch meinen Kopf. Warum bin ich hier, und wo bin ich überhaupt? In meiner Eile entdeckte ich nur eine lange Furche, die circa ein dutzend Soldaten beherbergte. Schützengraben, so hatte ich es im Geschichtsunterricht gelernt. Gruben, wodrin sich die Soldaten vor jeglichen Angriffen schützten und dennoch selber schießen konnten. Ich nahm all meinen Mut zusammen und sprintete los.

Eigentlich hätte ich schon hundert Mal getroffen werden müssen, doch auf wundersame Weise, erreichte ich den Graben, ohne auch nur einen Kratzer abzukriegen. Als ich wusste, dass ich sicher war, atmete ich erleichtert durch. Dieser Tag enthielt eindeutig zu viel Aufregung für mich. Plötzlich hielt ich inne. Was würden die Soldaten wohl nun von mir denken. Würden sie mich für einen Spion halten und naja, töten? Doch nichts der gleichen geschah. Sie schienen mich noch nicht einmal zu bemerken. Langsam kam in mir der Mut wieder hoch und ich stupste vorsichtig einen Soldaten an, der gerade seine Waffe nachlud. Ein fürchterlicher Schauer lief mir über den Rücken, als mein Finger einfach durch ihn hindurch glitt.

Was ist das nur für ein Ort, fragte ich mich. „Diese Frage kann ich dir beantworten,“ ertönte plötzlich eine tiefe Stimme hinter mir, so als könne er meine Gedanken lesen. Für den ersten Moment dachte ich, es wäre ein Soldat. Diese Antwort verstärkte sich auch noch, als ich mich umdrehte. Ich blickte in die Augen eines muskulösen Mannes, dem eine tiefe Narbe durchs Gesicht fuhr. Seine Augen waren rot angeschwollen, sein Schnurbart zuckte bei jeder Sekunde die ich ihm länger in die Augen schaute, so als sei er nervös. Dennoch erkannte man, dass er bereits viele Schlachten hinter sich hatte, die bestimmt nicht alle gut ausgingen, denn neben der Narbe besaß er auch noch eine Beinprotese aus Holz. „Tut mir leid, dass ich so nervös wirke. Ich bin es einfach nicht gewohnt, mit Menschen oder generell zu reden.“ Verwirrt schaute ich ihn an. Wenn er doch hier im Krieg ist, müsste er dann nicht auch des öfteren mit seinen Soldaten gesprochen haben?

Ich wollte ihn gerade nach seinen Namen fragen, doch der Soldat begann plötzlich hektisch zu reden. So als wüsste er, was ich sagen würde und wolle seinen Namen nicht nennen. „Du wolltest wissen, wo du hier bist, richtig?“ „Äh, ja?“ antwortete ich, immer noch ein wenig perplex. „Du bist im Jahre 1914, kurz nachdem Deutschland Frankreich den Krieg erklärt hat. Die Soldaten beachten dich nicht, da du in ihren Augen gar nicht existierst. „Äh, wie meinst du das?“ fragte ich wieder einmal verwirrt. „Wir beide sind gerade in einer anderen Realität. Wir können sie sehen, doch sie uns nicht. Deshalb wurdest du auch nicht von den Schüssen getroffen,“ erklärte der Soldat. „Und was mach ich jetzt hier?“ So langsam kam ich mir etwas dumm vor mit der ganzen Fragerei, aber ich wollte nunmal alles wissen. „Hast du schon mal von den fünf Geistern gehört?“ Ich schüttelte den Kopf. „Also es war so…“

Er begann einen Vortrag, über die Entstehung des Universums, von irgendwelchen Geistern, die für verschiedene Sachen zu ständig waren und von den Auserwählten. Jedoch konnte ich ihm nur halb zuhören, da ich immer wieder von seinem zuckenden Schnurbart abgelenkt wurde. Als er aber von Soldaten des Nichts sprach, weckte er wieder mein Interesse. „Etwa die, von denen das Mädchen von vorhin gesprochen hat?“ fragte ich so schnell, dass ich mich verschluckte. „Richtig. Es gibt insgesamt fünf, eigentlich für jeden Geist einen, doch dieses Mal haben sie sich wohl zusammengetan und wollten dich fangen, was ihnen wohl fast geglückt war, wie ich hörte.“

Der Soldat, der immer noch nicht seinen Namen genannt hat, schaute mich vorwurfsvoll an. Ich begriff zuerst nicht, was er meinte, doch so langsam schimmerte es. „Meinst du etwa Big Bob?“ fragte ich leicht verduzt. „Wenn du den meinst, der dich über die Dächer verfolgt hat, ja,“ antwortete der Soldat, bei dem das Bartzucken langsam aufhörte. „Sie sind die Diener des Nichts und deshalb nach ihm und den Geistern die gefährlichsten Lebewesen im ganzen Universum. Du konntest „Big Bob“ nur zweimal entwischen, da er erst noch Macht und Stärke entwickeln muss. Ihre gefährlichste Fähigkeit ist die Unsterblichkeit, die selbst das Nichts und die Geister nicht besitzen.“

Nun wagte ich es endlich, ihn wieder auf seinen Namen anzusprechen, doch auf einmal presste er blitzschnell seine Hände an meinen Brustkorb und wiedereinmal gefror das Blut in meinen Adern zu Eis. „Tut mir leid, dass ich dich jetzt so plötzlich wieder wegschicken muss, doch es ist besser für alle Beteiligten, wenn du meinen Namen nicht weißt.“ Dann wurde ich ohnmächtig.

Ich kam benommen zu mir. Mein Schädel brummte abermals und ich musste erst einmal mein Gleichgewicht wiederfinden, bevor ich aufstehen konnte. Als meine Sicht auch wieder klarer wurde, erstarrte ich. Ganz Rabat lag in Schutt und Asche.

Der Geist der Zeit

Sie ist wie eine Zecke, die nicht von einem lässt. Die stärkste ihrer Art. Ben und seine Freunde, müssen sich ihr jedoch entgegenstellen, damit er an seine neuen Kräfte gelangen kann. Ein Kampf um Leben und Tod beginnt.


Ich rannte. Rannte und rannte. Ich wusste nicht wohin und hatte jegliche Orientierung verloren, aber dennoch machte ich weiter. Mein Herz pulsierte im Höchsttempo. Ich wollte eine kurze Pause einlegen und noch einmal kräftig durchatmen, doch ich konnte nicht. Meine Lungen brannten vor Schmerz. Die Beinverletzung, die mich nun schon seit Tagen plagte, raubte mir meine letzte Kraft.

Erschöpft ließ ich mich auf den Boden fallen und wartete auf mein Schicksaal. Ich wusste, dass ich jeden Moment sterben würde, dass sie mich fangen und töten wird, wenn sie mich eingeholt hat.

Ich hörte Schritte näher kommen. Für den ersten Moment dachte ich, sie gehörten der Frau, doch als eine sanfte Stimme zu mir sprach, kehrte langsam die Hoffnung in mir zurück. „Komm, wir müssen dich hier wegkriegen, bevor sie uns eingeholt hat,“ erklärte die Stimme. Langsam richtete ich mich auf und blickte in die Augen eines jungen Mädchens, circa in meinem Alter. Ihre pechschwarzen Haare hingen quer verstreut auf ihrem Kopf. Ihre Haut war kreideweiß, dass man sie glatt für einen Vampir hätte halten können. Sie trug eine weite, schwarze Jogginghose, ein lässiges T-Shirt und ein durchsichtiges Hemd, derselben Farbe. Ich wollte gerade Fragen, wer sie sei, doch da hörte ich das vertraute Fauchen der Frau, die mich nun schon seit einer Woche verfolgte und plagte. „Schnell, versteck dich!“ befahl das Mädchen. Verzweifelt suchte ich nach einer schmalen Gasse, einem Müllkontäner oder etwas ähnlichem, doch ich fand nichts der gleichen.

Und plötzlich stand sie vor uns, mit ihrem kalten, herzlosen Lächeln. Sie trug weißes Makeup, das aber dennoch immer noch lange nicht mit der Blässe des Mädchens mithalten konnte. Ihre langen, blonden Haare waren an den Seiten zu zwei Zöpfen zusammengebunden, die mit kleinen Bändern, der jeweiligen Farben blau und rot verziert waren. Sie stehen für die Elemente Feuer und Eis, mit denen ich schon Bekanntschaft machen durfte. Ihre Kleidungsstücke waren wild zusammen gemixt. So trug sie beispielsweise einen schwarzen Minirock, bunte Socken, die ihr bis zum Knie ragten und ein Einhorn T-Shirt zusammen mit einer gelben Wanweste. Der Anblick sollte eigentlich witzig sein, jedoch strahlte sie einfach eine zu kalte Aura aus, um über ihren Kleidungsstil lachen zu können.

„Oh, wie ich sehe hast du Unterstützung vom Geist des Todes bekommen, wie ich sehe.“ Die Frau lachte. „Der Geist des was?“ fragte ich verwirrt zum Mädchen gerichtet. „Erklär ich dir später, renn!“ rief sie panisch. „Ich komme schon allein zu recht.“ Ich hörte auf ihre Worte, doch konnte sie sie wirklich besiegen. Sie besaß zwar eine mächtige Aura, das spürte ich, doch konnte sie wirklich gegen Kälte und Hitze siegen? Ich bezweifelte es. Vielleich war sie in der Lage, sie für eine gewisse Zeit lang aufzuhalten, doch es war nur eine Frage der Zeit, bis die Frau sie in kleine Stücke zerfetzen würde. Anfangs, als ich ihr das erste Mal begegnet war, war sie noch schwach und zerbrechlich, kaum einmal möglich ihren Arm zu heben. Doch mit der Zeit entwickelte sie sich zu einer gefährlichen Kampfmaschine, die es mit 100.000 Soldaten aufnehmen könnte.

Ich konnte mir bisher nur einen Vorsprung verschaffen, da ein Junge, ich glaube er hieß Brian, es mit ihr aufgenommen hat. Sie kämpften drei Tage und Nächte durch, bis er schließlich vor Erschöpfung fliehen musste. Ich beobachtete den Kampf in den Nachrichten, die nun schon jede halbe Stunde von ihm berichteten.

Ganz Chicago wurde evakuiert. Ich war der einzige den das Schicksaal nicht aus dieser Stadt gehen ließ. Meine Eltern waren schon seit einigen Jahren tot und ich lebte auf der Straße. Ins Kinderheim wollte ich nicht. Ich liebte, so schwer es auch zu begreifen klingt, mein Leben als Obdachloser, frei von jeglichen Regeln. Oft spielte ich im Wald, außerhalb Chicagos mit den Tieren. Abends jedoch übernachtete ich meistens bei meinem Kumpel Jason. Seine Eltern wussten nichts von mir, da sie eh ständig auf Geschäftsreise waren. Wir fraßen uns oft voll mit Chips und tranken Cola bis uns der Bauch wehtat. Einen Film nach den anderen haben wir geschaut, bis wir dann schließlich irgendwann glücklich einschliefen. Mein Leben war perfekt, bis sich Jason auf einmal vollkommen veränderte. Er ließ mich nicht mehr in sein Haus und ich begann unter Brücken, in Tunneln oder ähnlichem zu schlafen. Und dann kam die Frau, die mein Leben für immer ruinieren sollte.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als das Mädchen plötzlich um Hilfe schrie. Panisch drehte ich mich um und erstarrte vor Schreck. Sie war gefangen, in einem Block aus Eis. Die Frau kam, mit einem irren grinsen auf sie zugerannt. Feuer umgab ihre Faust. Sie würde sie mit einem Schlag töten, soviel war klar. Das Mädchen war mit Sicherheit nicht in der Lage, ihre Umgebung nach ihrem Willen zu verändern und sich somit aus dem Eis zu befreien, wie Brian es tat. In meiner Verzwifelung rief ich. „Hey, wolltest du nicht eigentlich mich töten?“ Die Frau schaute mich verduzt an, begriff dann aber, dass ich einen dummen Fehler begonnen hatte. „Was tust du denn da?“ brüllte das Mädchen. Ich würde gern behaupten, dass ich es wusste, doch das tat ich nicht. Panisch sprintete ich davon, so schnell mich meine verletzten Beine trugen. Ich hörte die lauten Schritte der Frau, die mir immer näher kamen, bis sie mich schließlich fast eingeholt hatte. Ohne sie sehen zu können, wusste ich, dass sie gerade mit einem wahnissingen Grinsen und brennender Faust auf mich zudreschte.

Und dann wartete ich. Wartete und wartete. Eigentlich hätte ich schon längst tot sein sollen, doch ich lebte immer noch. Schließlich wagte ich es, mich umzudrehen und schaute auf blanken Felsen. Verwirrt schaute ich mich um. Wohin war die Frau verschwunden? Dann entdeckte ich Brian, der bereits in einen weiteren Kampf mit der Frau verwickelt war. Er wehrte sich mit Felsen und griff mit Pfeilen an, während seine Gegnerin mit Feuer und Eis auf ihn eindrosch.

Bildete ich es mir nur ein, oder verformte sich gerade ganz Chicago? Noch konnte ich nicht erkennen, was es werden sollte, doch eins war klar. Brian war stärker geworden und zwar deutlich. Dann zog mich eine Hand hinter den Felsen. Für den ersten Moment dachte ich, die Frau hätte sich so schnell aus dem Kampf ziehen und mich angreifen können, doch es war nur das Mädchen. Erleichtert atmete ich auf. „Ich muss mich jetzt von dir verabschieden,“ sagte sie leicht nervös. Ich wusste nicht genau, wie sie das meinte, doch plötzlich spürte ich einen stechenden und eiskalten Schmerz in meiner Brust und fiel in Ohnmacht. Sie hatte mich verraten. Das dachte ich zumindest.

Als ich mit brummenden Schädel aufwachte und versuchte aufzustehen, was mir bei den ersten paar Versuchen nicht wirklich gelang, musste ich stutzen. Ich stand in einem riesigen Raum, voller Sterne, Galaxien und Planeten. Als mein Vater noch lebte, gingen wir oft zusammen ins Planetarium.

Jedes Mal war ich begeistert von der beeindruckenden Schönheit des Universums. Doch das hier fühlte sich so real an, dass man fast meinen könnte, dass ich hier gerade wirklich mitten im Weltall stand. „Das Universum sieht beindruckend aus, nicht war?“ ertönte eine raue Stimme hinter mir. Hektisch drehte ich mich um. Ich blickte in die müden Augen eines alten Mannes. Er sah schwach und zerbrechlich aus, aber dennoch mächtig und stark. Seine langen, weißen Haare waren zu kleinen Zöpfen zusammengebunden. Sein Bart reichte ihm bis zu den Knien. Der Mann trug ein elegantes Kleid, das durch das Muster, welches aus Sternen und Galaxien bestand, gut in die Umgebung mit einfloss. Er sah freundlich aus. Sein Blick war aber dennoch leer und voller Trauer.

„Wer bist du?“ fragte ich. Der Mann atmete tief durch. „Meinen Namen kenne ich nicht, aber ich kenne deinen.“ Ich schaute verwirrt in seine trägen Augen. Einerseits deshalb, warum er seinen Namen nicht kennt. Ist er wirklich so alt, dass er sich selbst daran nicht erinnern kann. Wie lang ist er wohl schon allein? Jahre? Jahrzehnte? Andererseits aber auch, warum er meinen kennt. Ich hielt mich mein ganzes Leben lang für einen unwichtigen und törichten Jungen, der ab uns zu Nachbarn gerne Streiche spielte. Doch nun, schien die Welt sich allein um mich zu drehen. Es fing schon an, als die Frau begann mich zu verfolgen. Plötzlich war Brian da, der sein Leben riskierte, um ihn zu schützen. Dann war da noch das mysteriöse Mädchen. Sie wusste, dass sie keine Chance gegen die Frau hatte, hatte es aber dennoch mit ihr aufgenommen. Und jetzt war da dieser Mann. Noch nie hatte ich mich so wichtig gefühlt wie jetzt. Ich hielt inne. Warum war ich hier, warum wollte diese Frau mich um jeden Preis töten? Tausende Fragen wirbelten durch meinen Kopf und bereiteten mir Kopfschmerzen. „Ich kann dir sagen was du wissen willst,“ sagte der Mann, so als könne er meine Gedanken lesen. „Als ich auserwählt wurde, hatte ich die gleichen Fragen. Doch nun bin ich hier um sie dir zu beantworten.“ Ich stellte meine erste Frage. „Wo bin ich?“ „Dies lässt sich leicht beantworten. Du bist in einer Simulation des Universums. Hier habe ich die letzten 500 Jahre verbracht. Als wir die Krieger zurück ins Nichts vertrieben hatten und somit unsere Aufgabe erfüllt war, setze ich mich zur Ruhe und wartete auf den heutigen Tag, der mir ein sterbliches Leben ermöglichen wird,“ erklärte der Mann. Ich war so verwirrt, dass ich keine weitere Frage zustande brachte. Zum Glück aber begriff mein Gegenüber, dass ich noch so unendlich viele davon hatte.

„Ich verstehe schon. Wir müssen bei dir wieder bei Null anfangen. Aber ich habe Zeit.“ Er sprach dieses Wort so aus, als hätte es irgend etwas mit mir zu tun. Der Mann erklärte mir, wer die fünf Geister waren und warum ausgerechnet ich jetzt hier bin und nicht ein anderer Teenager, der eine schwere Kindheit hinter sich hatte. Nur ich, so sagte er, wäre in der Lage die Last des Geistes mit mir zu tragen. So ganz verstand ich es immer noch nicht, aber trotzdem hörte ich aufmerksam zu.

Als der Mann, der sich nun als Geist der Zeit vorgestellt hatte (und hier bestätigten sich auch meine Überlegungen), mich über die anstehende Bedrohung aufklärte, verdüsterte sich mein Blick.

Er ließ einen schwarzen Fleck erscheinen, der sich rasant ausdehnte. „Das hier ist das Nichts, der ursprüngliche Besitzer des Weltalls,“ erklärte der Mann. „Es löscht jeden Tag Tausende von Galaxien aus und damit auch Trilliaden Leben. Die Erde,“ er ließ einen weiteren Planeten erscheinen, „liegt genau im Zentrum des Universums und ist damit der ideale Platz, um an Energie von sterblichen Leben zu gelangen. Diese Energie verlangsamt das Nichts in seinem Prozess, kann sie jedoch nicht ganz stoppen. Um aber in der gewohnten Geschwindigkeit das Universum einzunehmen, hat das Nichts fünf Soldaten auf die Erde gesendet, die die Hüllen der Geister töten sollten, um die Energie auszulöschen. Meine und die Energie aller anderer Menschen meiner Generation ist bald schon vollständig aufgebraucht, also haben die Geister sich dazu entschieden, in neue Hüllen zu schlüpfen.“ Er machte eine lange Pause. „Einer der Hüllen bist dann wohl du.“

Nachdem der alte Mann mit erzählen fertig war, fühlte ich mich so elend wie noch nie. Das Schicksaal von unvorstellbar vielen Lebewesen lag in meinen Händen. Könnte ich wirklich diese schwere Last auf mich nehmen? Plötzlich spürte ich wieder den eiskalten Schauer von vorhin und wieder fiel ich in Ohnmacht. Ich wachte in einer Pfütze aus Schlamm und anderen ekeligen Substanzen auf, von denen ich gar nicht den Namen wissen wollte. Auf meinen Rücken stampften kleine, schwere Beinchen herum, die aufgeregt von A nach B liefen. „Wo bin ich?“ brachte ich mit ekelverzertem Gesicht heraus. „Du liegst in einer Urinpfütze,“ ertönte eine vertraute Stimme. Zuerst drehte ich mich mit drohenden Miene um, doch dann verwandelte sie sich langsam zu einem lächeln. Vor mir standen Brian, das Mädchen und noch zwei andere Jugendliche. Sie schienen mich schon erwartet zu haben. Ich versuchte aufzustehen, doch dabei rutschte mir leider das kleine Tier den Rücken hinunter, das sich als Schildkröte erwies. Wütend starrte sie mich an. Sie hätte eigentlich niedlich aussehen sollen, doch irgendwie machte sie mir Angst. Die vier Teenager lachten. „Bucket kann sehr schnell gereizt werden, weißt du?“ klärte das Mädchen mich auf. „Bucket? Etwa wie Eimer?“ Ich grinste. Doch als mein Blick hinter die Vier wanderte, erstarrte ich am ganzen Körper. „Wo bin ich?“ fragte ich düster. „Nicht wo, sondern wann,“ antwortete Brian.

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