
Sie ist Schauspielerin im Pariser Theater. Eine der besten sogar. Als Beatrice jedoch, während einer Vorstellung, eine unangenehme Kälte, welche vom Publikum ausgeht, empfindet muss sie ihr Leben selber in die Hand nehmen.
„Beatrice, worauf wartest du? Die Vorstellung beginnt in fünf Minuten!“ rief meine Mutter aufgeregt. „Warten Sie bitte noch eine Minute Madame Petit, wir sind jeden Moment fertig,“ antwortete meine Maskenbildnerin, Mademoiselle Richard, die aufgrund des Zeitdrucks ihren Pinsel immer schneller schwang, weshalb er kurz abrutschte und dirket in meinem Auge landete. „Autsch!“ stöhnte ich laut. „Oh, Verzeiung junge Mademoiselle. Ich verspreche, es wird nicht wieder vorkommen.“ „Schon gut“ widersprach ich. „Nun folgen Sie aber bitte Ihrer Mutter auf die Bühne. Es fängt gleich an.“ Mit einem Besen scheuchte mich meine Maskenbildnerin, runter von meinem Sessel hinauf auf die Bühne. „Du schaffst das!“ Ich entdeckte meine Mutter, die mir aufgeregt zuwinkte. Hinter dem Vorhang hörte ich die abschließenden Worte meines großen Bruders Tom und den lauten Applaus des Publikums. Ich atmete noch einmal tief durch, bevor ich mit lauten Herzklopfen die Bühne betrat.
Stille. Alle Augen waren auf mich gerichtet. 2.000 um genau zu sein. Ich spürte, wie das Blut in meinen Adern gefror. Doch es war nicht allein die Angst, die diese unmenschliche Kälte erzeugte. Nein, da war noch etwas anderes. Etwas, nun ja … magisches. Ich hörte das erste Räuspern im Publikum. Auch meine Mutter schien bemerkt zu haben, dass irgend etwas los war.
„Oh, warum bin ich nur so allein.“ flüsterte sie mir nervös zu, doch mein Text wollte mir einfach nicht einfallen. Ich bemerkte, wie der Vorhang langsam zuging und mein Bruder rauf auf die Bühne ging, um das Publikum zu unterhalten, bis ich mich wieder gefasst habe. Plötzlich fiel mein Blick auf eine in schwarz gehüllte Frau, die erst langsam, doch dann immer schneller auf mich zuging. Zumindest vermutete ich, dass sie zu mir wollte. Denn ich spürte, dass die Kälte von der Frau ausging. Da war ich mir ganz sicher. Als sie die Bühne betrat, stieg Panik in mir auf. Ich stürzte hinter den Vorhang, der nun schon fast ganz geschlossen war und rannte. Ich wusste nicht warum und wohin, aber ich tat es. Die Frau schien mir unheimlich zu sein. Fast schon angsteinflößend.
Mein Herz pochte, meine Adern gefroren immer mehr zu Eis. Im Hintergrund hörte ich die fragenden Stimmen meiner Mutter und Mademoiselle Richard, doch das war mir egal. Ich wollte einfach so weit weg wie möglich weg von dieser Hexe. Ich stürzte hinaus in den eisigen Winter Parises, der mich eigentlich zum Eisblock hätte gefrieren sollen, doch von der Frau ging eine so enorme Kälte aus, dass es mir hier draussen eigentlich schon fast vorkam wie Hochsommer. Panisch warf ich einen Blick nach hinten. Die Frau holte immer mehr auf, es fehlten nur noch wenige Meter, bis sie mich erreicht hattte. Erst zehn, dann fünf, dann zwei und dann hatte sie mich schließlich.
Für einen kurzen Augenblick dachte ich, sie hätte mir ein Messer aus purem Eis in meine Brust gerammt. So fühlte es sich zumindest an, als sie mich auf den Boden presste. „Keine Angst, ich tue dir nichts,“ flüsterte die Frau, mit einer Stimme, die gar nicht zu meinen ersten Eindrücken von ihr passte. Sie war warm und weich und die … eines Mädchens? Als sie die Kapuze hinunterzog, bestätigten sich meine Überlegungen. Vor mir saß ein, ungefähr fünfzehn-jähriges Mädchen, dass freundlich lächelte. „Wer bist du?“ fragte ich, zwar immer noch nervös, aber dennoch deutlich ruhiger als zuvor. „Dafür bleibt jetzt keine Zeit, ich muss zum nächsten Auserwählten reisen. Du erfährst alles, bei meinem Kollegen.“ „Kollege …?“ wollte ich fragen, doch ich konnte meinen Satz nicht beenden, denn dieses mal rammte das Mädchen wirklich etwas in meine Brust. Zwar kein Messer, aber dennoch etwas mindestens genau so schmerzhaftes. Dann fiel ich auch schon in Ohnmacht.
Ein Gewirr aus Stimmen, weckte mich aus meiner Ohnmacht. Benommen kam ich zu mir. Mein Schädel brummte so laut, dass ich mir die Ohren zuhalten musste. „Wo bin ich?“ fragte ich leicht verwirrt. „Im Schloss Versailles, junge Dame,“ antwortete eine sanfte Stimme hinter mir. Erschrocken drehte ich mich um und blickte in die Augen der mit Abstand schönsten Frau, die ich je in meinem Leben gesehen habe. Ihre Haare lagen perfekt, ihre Haut makellos. Die Augen der Frau trugen die Farbe der Karibik. Ihr rotes Kleid war lang und elegant und leuchtete so hell, dass ich mir fast die Augen zuhalten musste, um nicht geblendet zu werden. „Wer bist du?“ waren die einzigen Worte, die ich zustande brachte. „Meine Wenigkeit tut nichts zur Sache.“ erklärte die Frau. „Nein, ich bin unwichtig. Das was mich wirklich ausmacht, ist das was in mir lebt. „Ach ja?“ fragte ich etwas perplex. „Was ist es denn?“ „Das wirst du schon noch erfahren,“ entgegnete die Schönheit in Person, während sie sich gerade ein großes Glas Champagner aus einer goldenen Flasche einschüttete. Ich wechselte das Thema. „Aber wieso bin ich denn überhaupt hi…“
Ehe ich den Satz zu Ende sprechen konnte, rempelte mich jemand von hinten an. „Hey, pass doch auf!“ rief er genervt, obwohl er es ja war, der mich angerempelt hat. Doch als er die mysteriöse Frau entdeckte, verstummte er urplötzlich und sah zu, dass er so schnell wie möglich von hier verschwand. „Achte nicht auf ihn.“ meinte die Frau. „Das sind alles minderwertige Geschöpfe, die ich nur erschaffen habe, damit ich nicht so alleine bin. Es kann hier manchmal ziemlich langweilig werden, weißt du?“ Sie muss die Verwirrrung in meinem Gesicht erkannt haben, denn sie fügte noch hastig hinzu. „Das wirst du auch noch alles irgendwann erfahren.“ Ich rollte mit den Augen.
Wie nervig kann eine einzige Frau bitte sein, dachte ich, doch schnell fiel mir wieder die Frage ein, die ich stellen wollte, als der Junge mich plötzlich angerempelt hat. „Aber wieso …“ setzte ich an, doch die Nervige, so habe ich beschlossen, sie ab jetzt zu nennen, hob schnell die Hand. „Das soll dir jemand anderes erklären. Ich muss los!“ Ehe sie ihren Satz überhaupt beenden konnte, verschwand sie hastig, in der riesigen Menschenmenge und ließ mich allein zurück. „Was für eine komische Verrückte!“ dachte ich laut.
„Ähm, dass solltest du lieber nicht sagen.“ Erschrocken drehte ich mich um. Dort stand doch tatsächlich der Junge, der mich vor fünf Minuten noch fast umgehauen hatte und dann auch noch meinte, dass das meine Schuld wäre. „Ich bin gespannt was du zu sagen hast.“ erwiderte ich, fast schon zickig. Er seufzte. „Tut mir leid, was ich gerade eben zu dir gesagt habe. Ich weiß selber, dass das nicht nett war. Doch fast 1.000 Jahre am selben Ort zu verweilen, kann manchmal ganz schön ätzend sein, weißt du?“ Verwirrt schaute ich ihn an. Ich muss dabei ziemlich dämlich ausgesehen haben, doch das war mir egal. Ich wollte jetzt wissen, was hier vor sich ging. Der Junge lächelte bei meinem Anblick. „Ich glaube ich bin dir eine Erklärung schuldig.“ meinte er, während er sich ein Glas Sekt einschüttete. „Willst du auch etwas?“ bot der Junge an, doch ich lehnte dankbar ab. „Nein, danke. Ich trinke nicht.“ Nach etwa einer Minute unangenehmen Schweigens, stellte ich mich endlich vor. „Ich bin übrigens Beatrice,“ sagte ich.
„Markus,“ entgegnete der Junge. „Freut mich, aber wolltest du mir nicht eigentlich was erzählen?“ erinnerte ich ihn. „Auja, richtig!“ fiel es ihm plötzlich wieder ein. „Also, es war so: Vor Anbeginn der Zeit, formten sich fünf Geister aus der Kraft des Universums. Diese Geister, waren für das Entstehen von einfach allem was wir kennen und lieben verantwortlich. Sie erschufen aus dem Nichts, in weniger als einer Sekunde, ein riesiges Etwas, das wir als Universum kennen. Der Geist der Kreation erschuf Planeten, Sonnensysteme und so weiter. Der der Zeit war dafür verantwortlich, dass alles weiter läuft und gedeit. Dann gab es noch den Geist der Zerstörung, der mit der Zeit Platz für neues schaffte, den des Todes und den des Lebens. Doch vor ungefähr 5.000 Jahren, nahm das Nichts wieder seinen ursprünglichen Platz ein. Ganze Galaxien mussten sterben. Mit allen Mitteln versuchten die fünf Geister es aufzuhalten, doch das Nichts war einfach zu mächtig. Es nahm in wenigen Tagen fast einviertel des gesammten Universums ein. Um den Rest zu schützen, verbannten sich die Geister selbst in fünf Körper auf der Erde. Dies verursachte zwar, dass das Nichts deutlich langsamer Platz einnahm, doch so konnte es dennoch nicht ganz gestoppt werden. Alle 1.000 Jahre nehmen die Geister neue Körper ein, um an frische Energie zu kommen.“
Markus machte eine lange Spannungspause. „Und ich denke, diesmal hat es dich erwischt.“
Mir stockte der Atem. Millionen von Fragen flogen durch meinen Kopf. Warum ich, wollte ich gerade fragen, doch auf einmal kam ich mir so komisch vor. So … benommen. Langsam taumelte ich nach hinten. „Wie wird mir?“ stammelte ich. „Oh nein. Es geht los!“ hörte ich Markus rufen. Doch seine und alle anderen Stimmen, kamen mir immer weiter entfernt vor, bis ich plötzlich ganz ohnmächtig wurde.
Ich wachte in meinem flauschigen Bett auf. Alles schien nur ein Traum zu gewesen sein. Das dachte ich zumindest, bis ich bemerkte, wie etwas haariges auf meiner Wange herum spazierte. Kreischend sprang ich aus dem Bett. Eine Spinne plumpste dumpf auf mein Kopfkissen, wo sich bereits seine Kumpels zu tummeln schienen, denn in meinem gesammten Zimmer krabbelten hunderte von Spinnen und anderer ekliger Tiere die Wände rauf und runter und … ist das dort etwa mein Hamster, den ich vor sieben Jahren ausVersehen zerdrückt habe?